Wir bahnen uns unseren Weg von den Höhen Malaysias in die Tiefen wunderschöner Regenwälder. Trotz Hitze und einiger Hürden schaffen wir es immer wieder bis in die pulsierenden Städte des Landes. Dabei offenbart sich uns ein stetiges Wechselspiel aus beeindruckender, ruhiger Natur und dem Trubel der Städte mit ihrer lebendigen Kultur.

Viel Spaß beim Lesen!

Was man den Berg hinaufstrampelt, darf man später ja bekanntlich auch wieder herunterrollen und so genießen wir eine lange Abfahrt aus den Cameron Highlands, zumindest den ersten Teil. Schon bald wird aus der Abfahrt eine hügelige Strecke mit dem ein oder anderen knackigen Anstieg. Noch dazu ist die frische Luft verschwunden und wir schwitzen in der schwülen Nachmittagssonne alles aus, was wir an Flüssigkeit noch in uns haben. Viele Möglichkeiten an neues Wasser zu kommen, gibt es leider nicht. Dafür umgibt uns eine ansehnliche Regenwaldkulisse. Die hiesige Fauna können wir aber nur auf den Straßenschildern bestaunen. Aber allein die Möglichkeit, dass uns hier z.B. wilde Elefanten begegnen könnten, sorgt während des Radelns in abgelegeneren Gebieten immer für einen gewissen Nervenkitzel.

Die Gegend ist nur sehr spärlich mit Häusern, geschweige denn mit kleinen Läden bestückt. Die vielen sprudelnden Quellen, die es weiter oben an fast jeder zweiten Kurve gab, sind nun kaum noch zu sehen.
Wir müssen schon wieder ganz schön auf die Zähne beißen und mühen uns weiter ab. Etwas benebelt von der Hitze und dem wenigen Wasser sitzen wir ausgelaugt an einer kleinen Wasserstelle und genießen die kalten Tropfen. Mittlerweile steht die Sonne etwas tiefer, die großen Bäume spenden mehr Schatten, der gemischt mit einer frischen Brise sehr wohltuend ist. In der Ferne fällt die Straße hinter der Kuppe steil ab, es war unser letzter Anstieg für heute. Die Luft über dem heißen Asphalt verschwimmt. Es sieht aus als wird sie gerade gekocht.

Von Alex haben wir den Tipp bekommen, dass wir einfach an einer Feuerwehrstation fragen sollen, ob wir unser Zelt für eine Nacht aufschlagen dürfen. Während seiner Radreisen durch Malaysia habe das schon oft funktioniert. Also versuchen auch wir unser Glück.
Es soll am Ende allerdings bei dem Versuch bleiben, denn die jungen Männer wirken eher etwas überfordert mit der Frage. Aufgeregt rufen sie ihren Vorgesetzten an, der allerdings auch nicht so richtig weiß, was er dazu sagen soll. Sie verweisen uns schlussendlich auf einige Unterkünfte in der Gegend. Vielleicht liegt es an den fehlenden Sprachkenntnissen, die unsere Situation nicht genug erklären können oder am Unverständnis darüber, dass wir, als „reiche“ Tourist*innen, einfach hier auf der Wiese neben der Feuerwehr zelten wollen.

Wir schwingen uns wieder auf die Räder, fahren ins Dorf hinein und fragen an einer Unterkunft, ob wir unser Zelt aufstellen dürfen. Bei googli haben wir hier zumindest Bilder von Radfahrern entdeckt. Etwas zurückhaltend holt die Frau ihren Mann, welcher daraufhin aus dem Haus gehumpelt kommt. Das linke Bein ist in Gips gehüllt und er schwingt sich auf seinen Krücken zu uns herüber. Dann sagt er, dass er leider keinen Platz für uns hat. Wir schauen uns in dem weiten Garten um und fragen, ob wir nicht einfach hier auf der Wiese unser Zelt aufschlagen können. Doch er erwidert, dass dies wegen der Schlangen viel zu gefährlich sei.
Die Dämmerung naht und wir sind viel zu müde zum Weiterfahren. Wir fragen also noch einmal nach, ob es nicht noch etwas anderes gibt. Etwas zaghaft erzählt er uns von einer Baruga. Doch im gleichen Atemzug weist er uns vehement daraufhin, dass diese nicht aufgeräumt ist. Durch seine Verletzung hat er es nicht machen können, fügt er entschuldigend hinzu. Wir schlagen vor, dass wir doch alles für ihn aufräumen und dann unser Zelt da aufschlagen könnten. Er ist etwas irritiert und wir müssen ihm noch mehrmals versichern, dass dies wirklich kein Problem für uns ist.
Irgendwann lösen sich sein Schamgefühl und die Zurückhaltung in Luft auf und das Strahlen in den Augen wird größer. Er erzählt uns nun vergnügt, wie gern er Fahrrad fährt und dass er uns bereits mit großer Freude an der großen Dorfkreuzung zugewunken hat.
Dann humpelt er zu der kleinen Baruga und wir müssen uns das Lachen verkneifen, denn das Aufräumen bedeutet lediglich einen alten Beutel und einen Motorsense herauszutragen. Im kleinen Imbiss seiner Frau können wir zum Glück auch direkt noch Essen bestellen und wenig später kommen wir zum ersten und wahrscheinlich auch letzten Mal in den Genuss des für Malaysia typischen Chicken Chops, welches irgendwie an Schnitzel mit Pommes erinnert, getoppt mit einer gratis Zuckerlimonade.

An die nächtlichen Temperaturen in den tieferen Regenwaldgefilden müssen wir uns erst wieder gewöhnen. Das kann selbst unser treuer Handventilator nicht kompensieren. Dementsprechend langsam kommen wir am nächsten Morgen in die Gänge. Aber da geht es nicht nur uns so, denn beim Auffüllen unserer Trinkflaschen am nächsten Supermarkt treffen wir auf einen Weltreisekollegen aus Frankreich. Der Unterschied ist nur, dass er heute noch nach Kuala Lumpur radeln möchte.
Es ist schon immer spannend, wie unterschiedlich alle Radreisenden so unterwegs sind. Wir gehören da eher zur Kategorie Maximalbeladung und auch von der Geschwindigkeit her, kann man uns wohl eher dem Team LKW zuordnen.

Heute erwarten uns wieder Plantagen über Plantagen. Dementsprechend zieht sich die Strecke in der zunehmend sengenden Hitze. Da hilft nur noch eine Mittagspause im Schatten, um neue Energie zu tanken.

Nach ein paar Metern auf der Straße sind die neu gewonnene Energie und Entspannung leider schnell wieder aufgebraucht. Die Autos und LKW fahren teilweise so dicht an uns vorbei, dass wir schon um unser Leben bangen. Wir sind genervt und erschöpft. Heute würde die Notiz an und selbst wohl lauten, dass wir nicht vor 16 Uhr weiterfahren sollten, da es einfach noch immer zu heiß ist. Aus Frust setzen wir dem Tag auf dem Rad bereits in Raub ein Ende und landen in einem typischen Oyo Hotel.
Die Billighotelkette kennen wir aus Indien, Nepal und co. und auch heute finden wir ein uns sehr gut bekanntes Szenario mit Rauchgeruch und Nachbarn, die ihren Fernseher gern auf Maximallautstärke laufen lassen, vor. Doch mittlerweile ärgern wir uns nicht mehr darüber, sondern schreiten direkt zur Tat, d.h. an der Nachbartür klopfen und direkt fragen, ob sie leiser stellen können. Das funktioniert überraschend gut, denn oft haben die Menschen in den asiatischen Gefilden einfach eine andere Wahrnehmung von Lautstärke als wir, entschuldigen sich und zeigen sehr viel Verständnis.
Problem zwei lässt sich heute durch Identifizierung der Rauchgeruchquelle und Zustopfen des Schachts mit Kissen lösen. Et voila, jetzt heißt es nur noch essen finden und schlafen! Davon hält uns dann nur noch das laute Feuerwerk für das alltägliche Fastenbrechen (Iftar) am Abend nach Sonnenuntergang ab, was sich des Öfteren bis in die Nacht hineinzieht.

Das Aufstehen im Dunkeln fällt mal wieder schwer, aber mit starkem Kaffee und bei den Gedanken an die bevorstehenden Temperaturen, werden von ganz allein die Lebensgeister geweckt. Wir biegen schon bald auf eine imposante, kleine Straße an einem Fluss ab, der in einem engen Canyon nach unten brettert. Ein Affe springt waghalsig nach unten auf einen anderen Baum der Schlucht. Ein lustiges Bild.
Nicht weniger witzig läuft unsere Frühstückspause auf einer verlassenen Bank neben aufgeregten Hundewelpen ab. Schon bald stoppt ein Opi neben uns, raucht eine, stellt ein paar Fragen und schwingt sich wieder auf sein Moped. Wenig später hält ein weiterer Mann an. Er interviewt uns in einer etwas zu ohrenbetäubenden Laustärke für einen Morgen und stellt schließlich fest, dass er niemals so weit radeln könnte. Seine Feststellung untermalt er mit der Präsentation seines Feinkostgewölbes. Er lädt uns noch auf ein Bier ein, aber da wir heute noch den Berg erklimmen wollen, lehnen wir dankend ab. Schmunzeln schauen wir ihm nach und machen uns auf den Weg gen Frasers Hill.

Uns begleiten zahlreiche Durianplantagen, bevor wir uns wieder mitten im Regenwald wiederfinden. Eine unglaubliche Soundkulisse begleitet uns auf der ruhigen, leeren und wunderschönen kleinen Straße. Wir strampeln immer weiter nach oben und genießen die Ausblicke in vollen Zügen. Mit zunehmender Höhe wird die Temperatur auch wieder angenehmer.

An Wasser kommen wir allerdings auch hier nicht so gut. Es sprudelt zwar an allen Ecken aus dem Wald, aber die Warnschilder mit irgendwelchen ominösen Tierchen drauf, machen uns dann doch etwas Angst. An der Moschee am Gipfel wirkt das Wasser auch nicht gerade trinkbar. Doch wir treffen dort zufällig auf eine Reisegruppe aus Singapur, die doch tatsächlich einen Wassersterilisator dabeihaben. Zufälle gibt’s, da meint es das Schicksal mal wieder gut mit uns. 

Zufrieden machen wir uns auf den Weg nach unten und rollen den Berg mit traumhafter Kulisse wieder hinab. Des Öfteren hören wir Nashornvögel und erfreuen uns an den Affen am Straßenrand. Die Temperaturen steigen mit den Höhenmetern, die wir runterrollen. Am Stausee angekommen brennt die Mittagssonne dann wieder erbarmungslos auf uns nieder. Zum Glück gibt es weiterhin ein kleines Gefälle, was zumindest für etwas Gegenwind sorgt. Dummerweise waren wir heute zu faul zum Kochen und stürzen uns deshalb regelrecht auf das erste Restaurant in der Zivilisation, diesmal ein chinesisches Etablissement.

20 km und eine stark befahrene Hauptstraße später, haben wir heute bei unserem Warmshowers Host in Hulu Yam die Gelegenheit sogar noch tiefer in die chinesische Kultur einzutauchen. Wir erreichen das Swee Yan Restaurant von Ley Soons Eltern und sitzen wenig später auch schon mit der Speisekarte am Tisch. Als er ankommt, wird es erstmal hektisch, denn wir sollen natürlich möglichst alles ausprobieren und schnell bestellen. Maximale Überforderung nach einem anstrengenden Tag auf dem Rad. Aber als die Bestellung dank Soon erstmal durch ist, macht sich Entspannung breit.
Es landen köstliche, chinesische Speisen auf dem Tisch und wir verspeisen das Festmahl gemeinsam. Später kommen auch noch seine Frau Hao Loke und sein kleiner Sohn Li Fen dazu. Das Highlight auf dem Tisch ist die für den Ort Hulu Yam berühmte Low Mee, eine Suppe mit hausgemachten, dicken Nudeln in einer leckeren, zähflüssigen Sojasauce.

Nach dem Essen zeigt uns Ley Soon unser Zimmer mit den Worten: „Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt“, bevor er sich wieder an die Arbeit macht. Das Wort Zimmer ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch etwas untertrieben. Eigentlich ist es eine ganze Wohnung, die er hier über dem Laden seiner Familie für chinesische Delikatessen und neben seinem Architekturbüro eingerichtet hat. Sein Beruf spiegelt sich sichtlich in der Gestaltung wider. Wir können unser Glück kaum fassen, kommen erstmal an und beschließen recht schnell, dass wir die Chance nutzen werden, um uns einen Tag Pause zu gönnen.

Am Abend treffen wir uns noch einmal mit Ley Soon in der Roti Chanai Straßenkneipe von nebenan. Die Stühle unter freiem Himmel sind gut gefüllt. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung und es wird fleißig geplaudert. Der Kunstbegeisterte Soon erzählt uns von seiner Reise mit dem Klapprad und Farbstiften vor einigen Jahren. Damals hat er die Kinder, die er getroffen hat, immer etwas aus ihrem Dorf oder aus der Stadt malen lassen. So entstand sein Projekt Colour Malaysia. Bis heute lebt diese Community weiter und verschönert die Umgebung seiner Heimat mit unterschiedlichsten Kunstprojekten (siehe Colour Malaysia).

Er erzählt uns, dass er in Hulu Yam nahezu jede/n kennt, seine ganze Familie hier lebt und hier Hokkien gesprochen wird. Hokkien kommt ursprünglich aus der chinesischen Küstenregion Fujian, in der historisch viel Handel betrieben wurde. Durch Migration verbreitete sich Hokkien über das Südchinesische Meer über weite Teile Asiens und ist mittlerweile die in Südostasien meistgesprochene Mundart der chinesischen Sprachfamilie. Aber wie so oft in Malaysia, sprechen auch die Menschen aus Hulu Yam noch die Landessprache (Bahasa Malaysia) und meistens auch Englisch, um sich dennoch außerhalb der eigenen ethnischen Community zu verständigen. Soon betont auch, dass sie zwar chinesische Wurzeln haben, aber dennoch aus Malaysia sind. So erzählt er uns z.B. belustigt, dass es in China zwar typisch sei, etwas auf dem Teller übrig zu lassen, was hierzulande allerdings absolut unhöflich wäre. Gut für uns und gleichzeitig immer wieder spannend, wie sich die ethnische Vielfalt Malaysias in nahezu allen Lebensbereichen offenbart. Soon verrät uns auch, dass er jetzt schon Angst hat, dass sein Sohn irgendwann auf die Idee einer solchen Weltreise kommt. Gleichzeitig wäre es aber auch lustig, wenn wir den Kleinen eines Tages irgendwo auf der Welt als Gast begrüßen könnten.
Nach dem schönen Abend fallen wir nur noch ins Bett. Für Soon heißt es nochmal an die Arbeit. Neben seiner selbstständigen Tätigkeit als Architekt arbeitet er noch für ein Büro in Kuala Lumpur. Er hat also echt jede Menge zu tun, pendelt ständig zwischen der Metropole und seiner Heimat hin und her und nimmt sich trotzdem immer wieder die Zeit für Radreisende aus aller Welt. Wir verabreden uns für den nächsten Abend und verbringen einen entspannten Tag in Hulu Yam.

Heute hat das Restaurant von Soons Eltern leider geschlossen, sodass wir in den städtischeren Teil von Hulu Yam in ein Seafood Restaurant düsen. Wieder gleicht das Abendessen einem Festmahl und wieder einmal stellen wir fest, wie Schade es ist, dass man die Karten in den chinesischen Restaurants nie lesen kann und wir vorher immer nicht wussten, was wir dann bestellen sollen. Der kleine Hao Loke hat heute sichtlich Spaß mit auntie Isi und uncle Bim aka Ben. Nach dem Abendessen drehen wir noch eine Runde durch Hulu Yam, um die beiden nach Hause zu bringen und fahren dann mit Soon zu den nahegelegenen Hot Springs. Ein weiterer, schöner Abend geht zu Ende und wir fallen nur noch dankbar und erfüllt ins Bett.

Müde radeln wir am nächsten Morgen noch ein letztes Mal durch Hulu Yam. Überall wackelt es schon. Klein und Groß sind bereits auf den Beinen. Leider sind die Straßen auch schon gut gefüllt und einige rasen wie Wahnsinnige an uns vorbei. Schwitzend und maximal genervt kämpfen wir uns den knackigen und letzten Anstieg vor Kuala Lumpur nach oben.
Am Pass entdecken wir einen kleinen Wasserfall, der für die hiesigen Religionen gleichzeitig als spiritueller Ort gilt. Die perfekte Gelegenheit, um uns nach der nervenaufreibenden Fahrt nach oben kurz zu beruhigen, zu entspannen und abzukühlen.

Spirituell wird es auch an den Batu Caves, die wir wenige Kilometer später erreichen. Die Kalksteinhöhlen im Norden der Hauptstadt beherbergen mehrere Hindutempel. Der Vorplatz ist gut gefüllt, da es sich um eine touristische Hauptattraktion Malaysias handelt. Schon vor dem Erklimmen der 271 Treppenstufen in der prallen Sonne macht sich also direkt ein Indiengefühl breit, welches sich mit dem Betreten der Höhle nur noch verstärkt. Wir tauchen ein in eine bunte Welt aus altbekannten Göttern, Klängen, Ritualen und ganz viel Spiritualität.

Völlig fertig stellen wir fest, dass unser Tag bereits vor der Mittagszeit wieder einmal ziemlich intensiv war. Wir brauchen dringend etwas zu essen. Da der Zug, der uns in die Metropole befördern wird, bald abfährt und wir keine Lust haben uns weiter in der Sonne garen zu lassen, bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Intensität wird abgelöst von Hektik. Schnell zum Bahnhof, Fahrkarten kaufen, Fahrräder einchecken, zum Nasi Stand rennen und letztlich zwischen Zugtür und Bahngleisen den Reis reinspachteln. Abfahrt!
Kuala Lumpurs Vororte ziehen an uns vorbei und verwandeln sich mehr und mehr in eine Metropolenkulisse. Wir sind mehr als froh darüber, dass uns die Radfahrt in eine weitere Millionenstadt erspart bleibt. Besonders nach den Verkehrsstrapazen der vergangenen Tage. Mitten im Zentrum schlägt uns die warme Luft wie eine Faust entgegen als sich die Türen öffnen. Wir sind angekommen. 

Eine Bleibe haben wir allerdings noch nicht, da wir doch immer wieder die Erfahrung machen, dass es manchmal besser ist, die Unterkünfte direkt vor Ort anzuschauen. Heute geht dieser Plan aber leider nicht so gut auf. Zu teuer, zu schäbig oder schon voll. Letztlich landen wir doch wieder da, wo wir angefangen haben zu suchen. Das Hotel in dem auch Catrin und Mat wohnen, die wir hier nun zum zweiten Mal auf unserer Reise treffen. Witzigerweise liegen unsere Zimmer letzten Endes genau nebeneinander.

Wir verbringen gemeinsam ein paar entspannte Tage in KL, was übersetzt so viel bedeutet wie schlammiger Zusammenfluss (der Flüsse Klang und Gombak). Hier, wo einst dichter Dschungel wuchs, haben chinesische Arbeiter 1857 den Grundstein der späteren Millionenmetropole gesetzt. Das Gebiet war damals wegen seines Zinn-Reichtums wirtschaftlich attraktiv geworden und entwickelte sich rasch zu einem aufstrebenden Minenarbeiter-Städtchen mit meist chinesischen Bewohner*innen.
Heute sind in der Millionenmetropole vielerlei Kulturen und Religionen vertreten. Wir erkunden die Stadt zu Fuß und mit dem Skytrain und lassen das vielfältige Stadtbild auf uns wirken. Ein Nebeneinander von der Modernität einer Boomtown und gelebten Traditionen sowie atemberaubende Architektur.

Wir verlassen Malaysias Hauptstadt genauso, wie wir sie erreicht haben, mit dem Komuter Train. An einer kleinen, rumpeligen Haltestelle verlassen wir den Zug und finden uns in einer Gegend mit vielen Wohnblöcken wieder. Es wirkt alles etwas grau und verfallen. Der Prunk und Glanz des Zentrums ist mit jedem Kilometer stadtauswärts etwas abgeblättert.

Auf kleinen Straßen verlassen wir das letzte urbane Gebiet. Unsere Beine sind müde und unsere Köpfe erschöpft. Die Sonne brennt und das Atmen fällt schwer infolge der Luftfeuchtigkeit. Langsam, aber zielstrebig kurbeln wir uns eine kleine Bergkette empor, die wohl endgültig die Stadtgrenzen markiert. Wir erhaschen einen letzten Blick auf Kuala Lumpur und spüren schon, was sich da am Himmel zusammenbraut.

Wir schaffen es gerade noch die Bergkette auf der anderen Seite wieder hinabzurollen, als der Himmel über uns zusammenbricht. Wir finden einen kleinen Unterstand und der ist auch noch direkt vor einem Café, wir lieben diese Zufälle! Nein, natürlich haben wir zuvor bei googli geschaut, freuen uns aber trotzdem über den guten Cappuccino und widmen uns währenddessen der weiteren Abendplanung.
Nach mehreren Absagen finden wir noch eine Unterkunft ganz in der Nähe. In der nächsten Regenpause rollen wir die letzten Meter. Als wir frisch geduscht auf dem Bett liegen und schon das nächste Gewitter über uns hereinbricht, freuen wir uns erneut darüber. Dass wir das Zelt in der Tasche gelassen haben.

Am nächsten Morgen packen wir unsere Sachen mit dem ersten Licht auf die Räder. Die kleine Stadt Hulu Langat erwacht langsam. Erste Suppenküchen dampfen bereits, die Metallvorhänge der Schaufenster werden nach oben gezogen, kleine Anzeigetafeln nach draußen gestellt und auf den Marktkarren werden die ersten Früchte verkauft.

Der gestrige Regen hinterlässt seine Spuren. Als wir die ersten Serpentinen in die Berge hinaufkurbeln sind wir umgeben von einer märchenhaften Kulisse. Tiefgrüne, verwunschen Bäume mit Moosen bewachsen und Lianen behangen rahmen die Straße ein. Tief in den Wald kann man nicht schauen, so bewachsen ist er. Eine zarte Nebelschicht liegt über der Straße und die Sonne zeichnet ihre Strahlen in die feuchte Morgenluft. Die Straße ist leer und wir genießen das Erwachen des Regenwaldes auch mit unseren Ohren. Lediglich ein paar Affen rascheln vor uns über die Straße! Es ist wunderschön und zeitgleich unglaublich anstrengend!

Die heutige Etappe gehört zu einer der schönsten Abschnitte in Malaysia. Der Regenwald zeigt sich in seiner schönsten Form und reicht in intakter Form bis an die kleine Straße heran. Wir sehen vereinzelte Siedlungen der orang asli und sonst nur Wald. Doch dies hat seinen Preis und den bezahlen wir in diesem Fall mit Höhenmetern. Nicht nur zwei Pässe, sondern auch ein konstantes Auf und Ab bringen uns an unsere Grenzen, die ja gerade sowieso nicht all zu hoch liegen.

Am frühen Nachmittag verlassen wir die tiefen Wälder und fahren immer öfter durch kleine Siedlungen, Dörfer und Kleinstädte. Langsam beginnt unsere Suche nach einer Schlafmöglichkeit. Doch das wird schwerer als gedacht. Einen Platz für unser Zelt in der freien Natur finden wir nicht und auch so ergibt sich keine Möglichkeit nach einer Übernachtung zu fragen. Als wir dann mehrere Gästehäuser anfahren, werden wir jedes Mal abgewiesen. So etwas ist uns noch nie passiert und wir sind ganz verwirrt von der neuen Situation. So etwas in einem muslimischen Land zu erleben, in dem wir bis jetzt die großzügigste Gastfreundschaft erlebt haben, verwundert uns umso mehr. Aber vielleicht liegt es auch nur an den knurrenden Mägen. Die Gästehäuser sind leer und aufgrund des Ramdan geschlossen und es führt absolut kein Weg rein, dass wir auch nur unser Zelt aufstellen könnten. Wir sind etwas frustriert und genervt.

Also bleibt uns nichts übrig als weiterzufahren. Wir sind richtig im Eimer! Die anstrengende Bergetappe, seit dem frühen Morgen unterwegs, die Sonne und absolut keinen Plan wie der Tag aus gehen soll. Die nächste Stadt mit einem geöffneten Hotel ist über 20 km und einen weiteren Pass entfernt, eigentlich unerreichbar in unserem Zustand.
Dann fahren wir auf einmal an einem Tor vorbei, an dem ein Schild mit Camping hängt. Diesmal ist es wirklich Zufall! Wir wählen die Nummer und der Besitzer macht sich direkt auf den Weg zu uns. Eine Stunde später öffnet er uns die Türen und wir haben tatsächlich wieder etwas gefunden, obwohl es doch so ausweglos aussah. Es ist ein extremes Auf und Ab, was sich in den letzten Tagen anbahnte und sich immer mehr verstärkt. Vielleicht liegt es an unseren erschöpften Körpern, die unsere Gemüter infolge der Ereignisse so bipolar ausschlagen lassen.

Wir stellen unser Zelt auf, kochen einen Topf Nudeln, genießen das kalte Bergwasser, die feuchte Briese in dem kleinen Bachlauf und den Moment, in dem die Sonne endlich hinter den Bäumen verschwindet. In der Zwischenzeit ist die ganze Familie angekommen, sie werden heute auch hier schlafen, nachdem sie gemeinsam das abendliche Fastenbrechen zelebriert haben. 

Endlich können wir uns hinlegen. Die Luft ist drückend und die surrenden Ventilatoren geben ihr Bestes. Was würden wir nur ohne diesen „Plastikmüll“ machen. Aber die Müdigkeit ist schneller als die Wärme… Ein Donner reist uns aus der Tiefschlafphase. Tropfen werden durch unser Moskitonetz zerstäubt. Wir werfen schnell die Plane über das Zelt. Jetzt ist es im Zelt unerträglich heiß und schwül, da hilft selbst der Ventilator nichts. Es scheint als legt sich der Regen und wir reißen die Plane wieder vom Zelt, um nicht zu ersticken. Keine fünf Minuten später sind wir schon wieder eingeschlafen. Eine Tiefschlafphase später erwachen wir diesmal von immer mehr werdenden, dicken Tropfen. Also wieder raus und die Plane drüber. Es schüttet! Wir liegen im Zelt und freuen uns, dass wir unser Zelt auf einem Betonplateau aufgestellt haben. Fünf Minuten später ärgern wir uns, dass wir unser Zelt auf einem Betonplateau aufgestellt haben, dessen Gefälle zur Mitte verläuft! Unsere Isomatten sind mittlerweile kleine Gummiboote auf denen wir genervt und gereizt herumliegen. Es blitzt, donnert und der Regen prasselt auf die lose Zeltplane, die nur so halb festsitzt.
In der nächste Regenpause suchen wir einen sicheren Platz und bauen wenig später unser Zelt in dem Aufenthaltsraum auf. Kurze Zeit später regnet es wieder heftiger. Wir liegen auf unseren nassen Matten und versuchen noch ein paar wenige Stunden Schlaf zu bekommen…

Der Wecker klingelt mit dem Sonnenaufgang, wir haben uns etwas mehr Schlaf gegönnt. Völlig gerädert stapfen wir über das Gelände. Verstauen unsere nassen Sachen und lassen unseren Mockapot aufjauchzen. Kaum vorstellbar, wie der Morgen ohne das schwarze Elixier wäre. Die Freude über die nächste Etappe ist nicht vorhanden.

Schon bald geht es wieder hinauf in die Berge und die Beine beginnen zu glühen, genau wie die Lungen in dieser heißfeuchten Luft. Mit jedem Kilometer gewöhnen wir uns an die Anstrengungen, das Brennen wird weniger und schon bald können wir die Umgebung auch wieder genießen.

Gegen Mittag erreichen wir die Stadt Kuala Pilah. Nachdem wir die üblichen, schäbigen Unterkünfte begutachtet haben, entscheiden wir uns für die gehobene Klasse. Etwas außerhalb ist ein Hotel, was eigentlich über unserem Budget liegt, aber wir haben einfach keine Energie mehr. Wir checken ein, schalten die Klimaanlage an, hängen unsere Sachen aus und gehen duschen! Wir fühlen uns wie neu geboren! Die ganze Lebensenergie ist zurück!
Wir genießen den Abend, kochen Nudeln auf dem Balkon und wollen nur kurz noch eine Kleinigkeit auf dem Laptop nachschauen, aber der Bildschirm bleibt schwarz…

Der Schock sitzt auch am nächsten Morgen noch tief, denn es ist ja bekanntlich nicht nur der Laptop, sondern auch die Daten. Mit schlechter Laune quälen wir uns einen weiter Peak nach oben. Es sticht in der Lunge, wir bekommen kaum Luft. Als ob sich die schlechte Laune auf die Lunge projiziert. Als wir oben sind, müssen wir uns wie immer umziehen. Die Sachen sind komplett nass und wir können den Schweiß auswringen. Doch wir finden die Wechselsachen nicht… haben wir die etwa liegen lassen? Wir wühlen alles durch, rufen im Hotel an und finden sie später doch wieder…

Auf dem Weg nach Melaka radeln wir durch die größer Stadt Alor Gajah. Laut googli gibt es hier einen guten Laptop Repair. Als wir die Adresse erreichen, finden wir uns in der Garage eines kleinen Häuschens wieder. Ein buntes Schild in der Einfahrt  verrät, was hier wohl alles repariert werden kann. Der Mann checkt den Laptop und bestätigt uns, dass er kaputt ist. Was die Reparatur kostet, kann er nicht sagen, er benötigt zwei Tage für die Analyse. Zumindestens kann er direkt unsere Daten wiederherstellen. Wir sollen in der Zwischenzeit etwas Essen gehen.
Als wir zwei Stunden später zurückkehren, sieht man ihm die Müdigkeit und den Hunger an. Das Gespräch ist unkonstruktiv und es gibt einem nicht gerade ein gutes Gefühl. Aber was solls, wir lassen den Laptop hier, spielen kurz mit den Kindern, die aus der Schule kommen und radeln weiter nach Melaka.

Was sollen wir sagen, man stumpft eben ab und so radeln wir eben jetzt ohne unseren Laptop weiter, den wir jetzt irgendwo in einer kleinen Garage zurückgelassen haben. Bis Melaka sind es noch ca. 25 Kilometer, zum Glück relativ flach. Aber Relativität hat eben auch seine Tücken und radeln schon bald wieder in einer sehr hügeligen Landschaft, die nicht hoch aber dafür steil ist. Noch dazu zieht sich der Himmel zu und schon bald wirkt er bedrohlich dunkel und wir hören das Grollen in der Ferne, die vielleicht gar nicht so fern ist.
Um den großen Verkehrsströmen zu entkommen wählen wir kleine Wege, die einmal in eine Sackgasse führen und das andere Mal in einer sehr schlotterigen Piste enden. Auf einer steileren Passage rutscht Bim das Vorderrad weg und er stürzt. Der Spiegel fliegt davon und das Rad landet genau auf der Tasche, wo sich der andere Laptop befindet. Wir versuchen ihn zu starten… nichts passiert! Das kann doch einfach nicht wahr sein! Wir atmen kurz durch und versuchen es noch einmal. Diesmal startet der Laptop! Wir spüren wieder etwas Energie in uns aufkeimen.
Schnell wieder auf die Räder, der Himmel macht auch keine Pause…

In Melaka wird es dann wieder voller. Irgendwann haben wir es dann aber endlich geschafft. Wir erreichen das höchste Gebäude der Stadt glücklicherweise noch vor den dunklen Gewitterwolken, die die ganze Zeit wie ein Damoklesschwert über uns schweben. Überraschenderweise verziehen sie sich wieder. Was bleibt ist ein imposantes Farbenschauspiel am Himmel.
Wir fahren in den 42. Stock und beziehen unsere Wohnung für die nächsten Tage. Das Gebäude liegt etwas außerhalb. Die Aussicht ist krass, vor allem aus der Badewanne. Heute spielt uns der Fastenmonat Ramadan wohl mal in die Karten, denn da dadurch gerade keine Reisezeit ist, liegen die Preise deutlich unter dem normalen Durchschnitt. Sonst könnten wir uns diese Bude definitiv nicht leisten. Willkommen zurück im Großstadtdschungel.

Dir hat unser Beitrag gefallen? Wenn du möchtest, kannst du hier etwas in unsere virtuelle Kaffeekasse werfen.

Schreibe einen Kommentar

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karen Schröder

    Liebe auntie Isi und lieber uncle Bim aka Ben!
    Das wären schöne Pseudonyme für ein Buch…. Die Fotos aus dem Dschungel haben etwas Mythisches. Die Dunstschleier durchbrechen die rationale Wahrnehmung…. Hoffentlich konntet ihr den kaputten Laptop wieder abholen und benutzen. Für euren Blog und andere Schreib- und Fotoarbeiten ist das sicherlich sehr wichtig. Beeindruckend ist das Nebeneinander von Urwald und Hochhausdschungel. Irre, wenn das funktioniert. Den 42. Stock kann ich mir gar nicht vorstellen, so hoch war ich wahrscheinlich noch nie…. Wir wünschen euch gute Erholung und frisches Durchatmen!
    Viele Grüße aus Dänemark von Renate und Karen 👋👋🇩🇰🇩🇰🎃🎃