Wir radeln durch das einstige Gebiet der Nomaden, reisen mit der Bahn durch das Zāgros-Gebirge ins mesopotamische Tiefland und zurück. Auf unserem Weg gen Osten wird die Landschaft erst immer bergiger und karger, bevor wir im trockenen Flachland ankommen.
Wir verlassen Kermanshah in Richtung Nordosten. Es ist früh am Morgen, die große Stadt erwacht eher als wir es von den abgelegenen Dörfern gewohnt sind. Ein Schleier aus Dunst und Staub liegt in der Luft und vor uns erhebt sich schon bald eine massive Felswand, die einfach nur beeindruckend ist. Schon vor über 2000 Jahren war diese monumentale Kulisse so imposant, dass sie als Grundlage mehrerer Reliefbilder und Inschriften herhalten sollte, deren Anblick uns aufgrund von Baugerüsten aber leider verwehrt bleibt.
Etwas weiter östlich, in der kleinen Stadt Sahaneh, lassen wir uns zum ersten Mal im Stadtpark nieder und bauen unser Zelt genau wie die vielen Iranis auf den vorgesehenen Betonplatten auf. Es ist Donnerstagabend, das heißt der einzige freie Tag der Woche steht morgen bevor. Dies merkt man auch daran, dass es richtig voll ist.
Ein kleiner Bach rauscht durch den von Bäumen gesäumten Park. Es dauert nicht lange und wir ernten die Aufmerksamkeit der umliegenden Camps. Noch bevor unser Zelt steht, bekommen wir die ersten Einladungen für eine Wasserpfeife, Pflaumen geschenkt und sollen am besten wieder mit zurück nach Kermanshah zur Familie nach Hause kommen. Als wir uns unsere Suppe zubereiten kommt die nächste Familie von der anderen Seite des Baches vorbei. Natürlich mit einer großen Schüssel Kirschen. Während unsere Suppe vor sich hin köchelt schnacken wir mit ihnen und müssen dabei die nächste Einladung ausschlagen, denn Zurückfahren ist keine Option.
Da wir uns nun so an unsere abendliche Abkühlung aus dem Wassersack gewöhnt haben, fällt es regelrecht schwer darauf zu verzichten. Noch dazu, wenn vor uns ein sprudelndes, klares Gewässer zu sehen ist. Doch einfach so hineinspringen ist verpönt. Selbst mit unserem Wassersack würden wir hier kein Versteck zum Duschen finden. Am Ende kommt uns die Eingebung auf der Toilette. Wir nehmen den Wasserschlauch, der hier zur Standartausrüstung der Hocktoiletten gehört, als erfrischende Duschbrause. Warum sind wir da noch nicht eher drauf gekommen.
Es ist ein schöner Abend und selbst gegen Mitternacht sind das Wochenendtreiben und Gewusel groß. Es liegen Kebab-Rauchwolken von den vielen kleinen Grillplätzen in der Luft. Überall machen es sich große und kleine Familien auf den mitgebrachten Teppichen bequem und genießen den Abend, bevor sie es sich auf eben diesen oder in den Zelten zum Schlafen gemütlich machen.
Wir verlassen die kleine grüne Oase und mühen uns die Berge nach oben. Schon am Morgen ist die Hitze sehr erdrückend. Es weht kein Hauch eines Windes und uns läuft der Schweiß erbarmungslos von oben nach unten. Nach dem ersten Pass erreichen wir eine kleine Hochebene mit vereinzelten, kleinen Siedlungen und goldgelben Getreidefeldern, die sich zwischen den Bergen erstrecken. In der Mittagsonne versuchen wir uns immer wieder ein schattiges Plätzchen zu suchen. Manchmal muss dafür auch eine Brücke unter der großen Straße herhalten, wenn es weit und breit kein Bäumchen gibt. Wir spüren die Erschöpfung nun immer deutlicher, die Knie schmerzen, die Beine zwicken und der Kopf ist müde.
Die goldenen Ähren, die so schön im Kontrast zu dem blauen Himmel stehen, zeichnen unser Bild der nächsten Tage. Relativ flach schlängelt sich die schwarze Teerstraße durch die Felder. Vereinzelte Siedlungen mit spielenden Kindern vor den Lehmhäusern liegen auf dem Weg. Am Morgen und Abend knattern immer wieder Mopeds, beladen mit einer Schaufel, an uns vorbei. Sie fahren zu den Bewässerungskanälen und öffnen und schließen diese durch einfaches Graben. Wir sehen unzählige abgeerntete Felder. Das Korn wird in große Säcke geschaufelt und in einer klassischen, iranischen Stapelweise à la „alles was drauf geht“ auf die Pick-ups geladen. Wir brauchen etwas, um zu verstehen was wohl mit dem kleingehäckselten Strohhaufen passieren mag. Als wir uns die Lehmhäuser von nahem Anschauen kommt uns die Erleuchtung.
Die Stadt Borujerd überrascht uns mit einem frischen, grünen Klima. Wir wollen direkt in einen der vielen Parks rollen und unsere Villa Sonnenschein im Schatten eines großen Baumes aufstellen. Doch mit dem Erreichen der Stadt haben wir auch schon wieder in unzählige Kameras gelächelt. Teilweise drängeln uns die Autos liebevoll von der Spur ab, so dass uns gar nichts anderes übrigbleibt als anzuhalten und wenn man dann einmal steht, dann sind auch ganz schnell ganz viele Iranis um einen herum versammelt. Nach einem kräfteraubenden Tag in der Sonne ist es doch manchmal recht anstrengend, immer wieder die Mundwinkel nach oben zu ziehen. Doch es ist die herzliche Freude der Iranis, die einem dabei hilft es doch zu tun.
Kurz bevor wir unseren auserkorenen Stadtpark für die Nacht erreichen, hält ein Auto vor uns und winkt freudig mit dem Handy. Keine fünf Minuten später stehen vier weitere Autos, Mopeds und zig Iranis um uns herum. Zwei der drei Autospuren blockieren wir dadurch, mitten in der Stadt. Die Polizei rollt einfach vorbei und es wundert uns lediglich, dass sie nicht auch noch für ein „ex“ (Foto) anhalten. Dann beginnt eine ziemlich suspekte Situation. Drei Familien streiten sich untereinander auf eine liebevolle Art und Weise, wer uns denn heute zu sich nach Hause einladen darf. Von allen Seiten wird auf uns eingeredet, dann wird hektisch ein Handy mit Lautsprecher ans Ohr gehalten, ein englischsprechender Freund der Familie ist somit auch noch dabei. Wir sind überfordert! Rein der Höflichkeit wegen folgen wir der ersten Einladung, die sich stolz den heutigen Touristen-Pokal gesichert hat.
Wir fahren dem Auto hinterher. Es geht in die Richtung aus der wir gekommen sind aus der Stadt hinaus in die grünen Gärten am Fluss, eine Art Naherholungsgebiet von Borujerd. Überall gibt es Restaurants und das Klima wirkt schon fast kalt, aber doch so angenehm, wenn wir an unsere Mittagspause unter der Brücke zurückdenken. Wir erreichen den Garten mit dem kleinen Gartenhäuschen, was sich die Familie von Mahla und Ariu mit ihrer Tante und Onkel teilen. Als wir das Tor betreten wirken diese recht überrascht, dass ihr Neffe gerade Besuch mitbringt. Später erfahren wir, dass gestern die Hochzeit ihres Sohnes war. Trotzdem begrüßen sie uns herzlich.
Doch mit zunehmendem Abend wird die Stimmung etwas gezwungener. Der englisch sprechende Freund der Familie, der extra noch vorbeikommt, übernimmt die gesamte Kommunikation mit uns. Mahla, die uns so vehement zu sich eingeladen hat, spricht keinen Satz mehr mit uns, außer als es um die Instastory geht und Ariu lässt sich einfach nicht davon abbringen Essen für uns zu holen, obwohl wir mehrfach sagen, dass wir auch einfach gemeinsam abhängen können. Gegen halb zwei in der Nacht kehrt er mit seinen Eltern zurück, es scheint als habe die Mutter extra für uns gekocht. Wir essen eine kleine Portion unter den Augen der ganzen Familie und dürfen dann endlich in unser Zelt. Als wir dann sagen, dass wir gegen fünf Uhr aufstehen, fällt der Familie die Kinnlade herunter. Mahla und der englischsprechende Freund haben dies wohl nicht weitererzählt, obwohl wir es mehrfach gesagt und in googli eingetippt haben. Es wirkt als müsse das Ritual der Einladung mit traditionellem Essen um jeden Preis durchgezogen werden.
Wir fallen auf unsere Isomatte und sind zwiegespalten von den heutigen Erlebnissen. Es ist schon wieder unglaublich mit welcher Herzlichkeit uns begegnet wurde und doch war es vielleicht etwas zu viel. Ab und an hören wir den Satz, dass es die moralische Pflicht sei uns einzuladen und so wirkt es leider etwas gezwungen und wir haben kein gutes Gefühl dabei, dass extra wegen uns so ein Aufwand betrieben wird. Aber wenn wir dann in die glänzenden Augen von Ariu schauen, als er fragt ob alles gut sei oder das Lächeln von seiner Mutter sehen, als wir ihr liebevoll zubereitetes Essen mitten in der Nacht verschlingen, dann sieht man doch wie ernst diese Einladung gemeint ist.
Der Grund, warum wir so zeitig aufstehen wollen ist eine sehr ungemütliche Wettervorhersage. Ab 10 Uhr sollen uns Böen von bis zu 45 Knoten direkt ins Gesicht blasen und das für die nächsten Tage. Wir radeln also gegen die Zeit, fahren so schnell es geht an unzähligen Reisfeldern vorbei und trauen uns erst mit Einsetzen des Windes für eine Frühstückspause anzuhalten. Der Wind ist erstaunlich pünktlich. Wir haben noch ca. 20 Kilometer vor uns. Es sind wohl mit die unangenehmsten der ganzen Reise. Die Stimmung ist längst gekippt, wir sind völlig erschöpft und gereizt. Wir radeln im kleinsten Gang, die Tachoanzeige schwankt zwischen 4 und 5 km/h. Unsere Geschwindigkeit, wenn wir normalerweise einen recht steilen Berg hinaufkurbeln. Doch heute ist es eine nicht enden wollende, gerade Straße. Es ist so unangenehm und frustrierend. Die Reispflanzen neben uns liegen horizontal in der Luft über dem von Windwellen gesäumten Wasser. Am Ende ist es letztlich aber wie immer, irgendwann erreichen wir das Ziel! Für uns ist dies heute ein kleines Hostel in Dorud. Doch bevor wir ins Bett fallen können, schweißt der Besitzer noch schnell eine Stahllasche an die Tür des Innenhofes, dass auch ja nichts mit unseren Rädern passiert während der Nacht.
Von Dorud nach Andimeshk verläuft eine der schönsten Eisenbahnstrecken des Landes, einmal über das Zāgros-Gebirge, welches als größtes Gebirge des Iran von der Provinz Kordestān bis zur Straße von Hormus reicht, in das mesopotamische Tiefland. Da wo der Euphrat und Tigris eine fruchtbare Ebene in die Wüste zaubern, da wo viele Erzählungen der Frühgeschichte beginnen, da wo es im Sommer unerträglich heiß ist und wir es daher keinen einzigen Tag aushalten werden.
Doch zuvor müssen wir noch herausfinden wie die Züge überhaupt fahren. Wir erreichen den Bahnhof und weil die Iranis so freundlich sind und jeder einem direkt helfen möchte, landen wir in einem Büro von einem Mann, der wohl nicht so viel mit Auskünften zu tun hat. Er telefoniert herum und sagt uns am Ende eine Zeit, wann der Zug morgen starten soll. Danach gehen wir zur offiziellen Information, auch hier bekommen wir keinen richtigen Fahrplan des Zuges. Also müssen wir uns diesen notgedrungen selbst zusammenstellen. Über googli fragen wir nach unterschiedlichen Abfahrtszeiten an unterschiedlichen Bahnhöfen, skizzieren die Strecke und Abfahrtszeiten. Dann bleibt nur zu hoffen, dass wir alles richtig verstanden haben.
Nur eine Kleinigkeit haben wir wohl vergessen zu fragen, ob es sich bei dem Zug um den alten, gemütlichen Zug mit Schiebefenstern handelt. Denn für uns steht enttäuschenderweise ein moderner, klimatisierter Zug bereit.
Noch vor Sonnenaufgang starten wir am nächsten Tag in Richtung Süden. Bereits am Bahnhof werden wir in die Obhut einer iranischen Familie genommen, später versorgen sie uns noch mit Kirschen und Keksen. Es wird immer darauf geachtet, dass es uns auch gut geht und sie lassen sich auch nicht davon abbringen, die Zugfahrt für uns zu bezahlen.
Die 208 km lange Zugfahrt ist traumhaft, die Landschaft wunderschön und abwechslungsreich. Die Bahnstrecke ist eine Meisterleistung der Baukunst. 230 Tunnel und unzählige Brücken im Wechsel, die sich durch die schroffen Berge entlang des wilden Gebirgsflusses schlängeln, wo eigentlich kaum noch ein Zentimeter Platz zu sein scheint. Teilweise halten wir an kleinen Dörfern an und manchmal einfach irgendwo im Nirgendwo. Selbst hier steigen Menschen ein und aus. Für einige Siedlungen ist die Bahn die einzige Anbindung an die Außenwelt. Weiter südlich wird es trockener, karger und flacher. Canyonartige Felsen schmücken die Steppenlandschaft.
Als wir Andimeshk erreichen und den Zug verlassen, schlägt die Hitze auf uns ein. Über 40°C im Schatten, es kribbelt auf der Haut und ist richtig unangenehm. Für uns geht es direkt wieder zurück nach Dorud. Das heißt erneut sechs Stunden Zugfahrt und doch ist es kein bisschen langweilig. Unsere Augen kleben wieder am Fenster und bestaunen diese wunderschöne Landschaft. Auf dem Rückweg dürfen wir dann unser Ticket auch selbst bezahlen, umgerechnet knapp 25 Cent pro Person.
Wir gönnen unseren Beinen noch einen Tag Pause und sitzen am nächsten Morgen schon wieder im Zug, doch diesmal nur bis Bisheh, wo es wohl einen der schönsten Wasserfälle von Iran zu bestaunen gibt. Nach unserem notdürftigen Fahrplan müsste der erste Zug zurück nach Dorud gegen kurz vor zehn Uhr abfahren, doch am Bahnhof wird uns sehr energisch gesagt, dass der Zug um neun Uhr fährt. Wir sind mehr als verwirrt, können aber schon bald unsere Gedanken dem wunderschönen Wasserfall und unserem Kaffee widmen.
Am Ende sind wir kurz vor neun wieder am Bahnhof und warten eine gute Stunde. Heute kommen wir doch noch in den Genuss mit dem „alten“ Zug zu fahren.
In Iran kann alles so einfach sein und doch ist auch alles so kompliziert, es sind immer wieder diese Gegensätze, die wir überall entdecken und spüren.
Da unser Reifen immer wieder einen Platten hat und die Löcher auch an derselben Stelle sind, muss wohl ein anderer Flicken her. Unsere begleitende Radexpertin gibt uns den Tipp ein Stück Leder in den Reifen zu kleben. Wir gehen also los und suchen nach Leder und das in den Bazarstraßen zu finden ist einerseits kein Problem und andererseits doch ziemlich anstrengend. Blöderweise haben wir es beim ersten Mal nicht direkt gekauft, jetzt finden wir den Stand nicht wieder. Wir fragen uns durch, werden von einer Ecke in die nächste geschickt und irgendwann stehen wir vor dem Laden. Am Ende bekommen wir die kleinen Lederfetzen von dem Besitzer geschenkt.
Weiter geht die Suche, diesmal Geld tauschen. Wir fragen an einem kleinen Laden nach, um erst einmal in die Gegend der Geldtauscher zu gelangen. Wir bekommen pantomimisch erklärt, dass es wohl ein Uhrenverkäufer ist und einen kleinen, handgeschriebenen Zettel mit dem Namen des Ladens auf Farsi. Wir gehen durch die Straßen in die gezeigte Richtung, fragen Passanten, indem wir ihnen den Zettel zeigen und vergleichen Ladenschilder mit dem handgeschriebenen Farsizeichen. Dann sind wir da, doch bevor wir Geld tauschen können, werden die Kurse abgeglichen. Dafür telefoniert der Verkäufer herum. Wir verstehen nur „Touristi,“ „Euro.“ Dann wird das Handy über den Tisch gereicht, die Stimme begrüßt uns mit: „Hello Bim, how are you?“ Wir verstehen die Welt nicht mehr. Es ist der Mann der uns gestern in der Unterkunft empfangen hat. Am Ende landen wir also in seinem Laden, um unsere Euros in Abermillionen Rials zu tauschen. Immer wieder verrückt wie der Hase hier so läuft.
Wir schlendern weiter durch die Gassen, wo uns wenig später der nächste Mann begrüßt. Er möchte Bim unbedingt die Haare schneiden und so landet er am Ende auf dem Stuhl eines Barbers, was tatsächlich mal wieder nötig ist. Nachdem Isabellis Haare schon in Tbilisi weichen mussten, sind nun Bimis fällig. Hadi und sein Kollege beraten sich ausgiebig und wir beteuern immer wieder, dass es nicht zu kurz werden soll, bevor er sich an die Arbeit macht. Es herrscht eine lustige Stimmung, Hadi genießt das Schneiden des blonden Haares sichtlich und auch hier will man kein Geld von uns haben und wir können einfach nichts dagegen unternehmen.
Wir sind jetzt schon ein paar Tage in Lorestan unterwegs. Die Provinz der Loren, eine weitere ethnische Minderheit in Iran, deren Gebiet sich wie so oft nicht auf die gezogenen Grenzen begrenzen lässt. Die Loren, die auch ihre eigene Sprache pflegen, sind in traditioneller Sicht Nomaden und teilweise praktizieren sie diesen Lebensstil noch heute. Immer wieder sehen wir die typischen Zelte und es kommt uns vor als sind wir von noch mehr Hirten mit noch größeren Herden umgeben.
Von Dorud nach Golpayagan sind wir überwiegend auf kleinen Straßen und Pisten unterwegs. Es ist noch einmal ein radfahrerisches Sahnehäubchen. Wir folgen einem kleinen Bachlauf entlang der massiven Felswand des Oshtrankuh abseits der großen Straße und können die Natur dort umso mehr genießen.
Abseits der kleinen Wasserläufe wird es immer karger und trockener und doch zeugen die vielen Felder von einer fruchtbaren und noch wasserhabenden Gegend. An einem Abend, nach einer anstrengenden Fahrt über die kleinen Pisten zwischen den Feldern, erreichen wir das Lehmdorf Gandomineh im Sonnenuntergang. Das goldene Licht lässt die Szenerie noch schöner erstrahlen. Wir versorgen uns mit Wasser und holpern weiter durchs Nichts. Im Dunkeln bauen wir unser Zelt in einem ausgetrockneten Bachlauf auf, der feine, zarte Sichelmond erscheint für kurze Zeit am Himmel, dann macht er platzt für die Sterne. Es ist komplett still und wir genießen den Blick auf die Milchstraße.
Wir sind inzwischen völlig erschöpft. Die letzten Wochen waren so intensiv, in jeder Hinsicht. Wir sind so viele Kilometer und Höhenmeter wie noch nie gefahren und dann haben wir nebenbei noch eine völlig neue Kultur kennenlernen dürfen und all das ohne einen einzigen Tropfen Regen. Die Zahl der Wolken, die wir gesehen haben können wir wohl auch an einer Hand abzählen, aber dennoch hätten wir uns den Sommer in Iran so viel schlimmer vorgestellt. Wieder wächst man also mit den Aufgaben und der Körper scheint sich so gut an die gegebenen Umstände anpassen zu können.
All das hinterlässt aber Spuren und Körper und Kopf brauchen eine Pause. Wir entscheiden uns die letzten Kräfte zu mobilisieren und bis nach Esfahan zu radeln, wo wir den Rädern und vor allen uns eine Pause gönnen werden. Schon allein diese Entscheidung schöpft neue Energie für die nächsten und vorerst letzten 200 Kilometer auf unseren Drahteseln.
Wir radeln durch die Steppe, die sich hier schon fast in eine Steinwüste wandelt. Teilweise geht es schnurrgerade aus, es ist nichts als Weite zusehen. Die kleinen oasenähnlichen Lehmdörfer mit den grünen, schattenspenden Bäumen sind allerdings noch recht häufig und wir kommen dadurch nicht in Wassernot. Wir sind erschöpft und radeln erneut erst gegen die Zeit und dann gegen den Wind. Ab den Mittagsstunden ist der Gegenwind jedoch so stark, dass wir uns in einem kleinen Lehmdorf in einem 300 Jahre alten Haus einen Teppich zum Schlafen suchen. Wir spazieren durch die Gassen und genießen deren Charme. Wir sind einen Monat in Iran und doch erst jetzt so richtig im orientalischen Persien angekommen.
Unser letzter Radeltag beginnt wie so oft in der Früh und doch ist der Wind schon wieder stark. Wir beißen auf die Zähne und kämpfen uns bis nach Esfahan. Erschöpft erreichen wir das Hostel, doch die Freude darüber ist gedämpft. Einerseits sind wir erleichtert darüber, es geschafft zu haben, andererseits wird uns bewusst, dass Esfahan das letzte Ziel unserer Reise ist, welches wir aus eigener Kraft erreicht haben. Die weiterhin geschlossenen Grenzen von Turkmenistan und Aserbaidschan sorgen dafür, dass es für uns nicht mehr auf dem Landweg weiter gehen kann, wenn wir nach Zentralasien wollen.
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Da leidet man ja nachträglich noch mit! Hitze, die Kraft lässt nach und der Körper schreit nach Ruhe. Das kleine Video von der Zugfahrt dazwischen mit dem kurzen Blick auf das kleine Kind fand ich toll. Ich bin sogar froh, dass ihr den komfortableren Zug beim 1. Mal hattet. 230 Tunnel! Wir haben mal in der Schweiz tolle Zugfahrten erlebt. Muss schließen. Ihr in Indien steht schon bald wieder auf.
Genießt es! Herzlichst, Carola