Wir radeln ein Stück am Main-Donau-Kanal entlang bis ins natürlich schöne Altmühltal. Ab jetzt haben wir die Sonne stets an unserer Seite und sie begleitet uns an der Donau entlang bis nach Wien.

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In Forchheim sind wir an den Main-Donau-Kanal gestoßen und sind diesen entlang gen Süden geradelt. Ein beeindruckendes aber auch nicht unumstrittenes Ingenieurbauwerk, was die großen europäischen Wasserstraßen Donau und Rhein verbindet. Neben zahlreichen Schleusen benötigt das Kanalsystem auch mehrere Pumpen, die das abfließende Wasser wieder zurück in die dafür angelegten Speicherseen transportieren, damit es erneut den Kanal runter laufen kann. Dafür wurde unter anderem die natürliche Flusslandschaft der Regnitz stark verändert, was zu beträchtlichen Einschnitten in der Flora und Fauna führte und diese auch weiterhin prägt. Viele Frachter haben wir nicht gesehen, die den Europakanal beschifften, aber vielleicht sind wir da aus Kiel auch einfach etwas anderes gewöhnt.

Am Rothsee haben wir den Kanal dann verlassen, um in das Tal der Altmühl zu gelangen. Auf dem Weg dahin haben wir mit dem Limes wieder eine einst bedeutende und nun vergessene Grenze überquert. Außerdem haben wir mit der Wasserscheide zwischen Rhein und Donau auch das Einzugsgebiet der Nordsee verlassen. All das Wasser was uns ab jetzt umgibt werden wir hoffentlich irgendwann am Schwarzen Meer wiedersehen.

Das Altmühltal überraschte uns mit einer traumhaften Landschaft und schönstem Wetter. Die Altmühl schlängelt sich hier durch die schroffen Felsen. Auf dem Radweg waren wir nicht allein, die Wege waren gesäumt von unzähligen, motorisierten Fahrädern. Teilweise begegneten uns junge, scheinbar sportliche Leute, die mit dem E-Bike unterwegs waren. Ein Fahrradhändler hat uns erzählt, dass die Trails im Wald teilweise zerstört sind, weil zu viele und zu schwere E-Bikes sich im Down-Hill probieren. Uns stellt sich die Frage, wie nachhaltig ist das noch, wenn man anstatt eines Fahrrades auf ein E-Bike umsteigt? Aber bei der Frage der Nachhaltigkeit sollte man sich ja auch immer an die eigene Nase fassen. Auch wir dringen in die Natur ein, wenn wir unser Zelt irgendwo aufstellen.

Nach kurzer Recherche sind wir auf den Trekkingplatz „Altmühlhonig im Altmühltal“ gestoßen. Einen Platz zum „für eine Nacht auf der Streuobstwiese campieren“ klang für uns richtig gut, nur leider haben wir uns bei der Routenplanung etwas verschätzt bzw. nicht wirklich richtig hingeschaut. Als wir 19 Uhr immer noch 30 km auf der Uhr hatten, haben wir uns gefragt, warum wir uns das eigentlich antun? Jetzt auf Biegen und Brechen so weit zu radeln, nur um am Ende unter einem Apfelbaum zu schlafen. Nunja die Antwort haben wir bekommen, als wir bei Michael angekommen sind. Wir wurden sehr herzlich begrüßt und dann zeigte uns Michael den Platz, den er einst für Jugendliche aus dem Dorf als Treffpunkt zur Verfügung gestellt hatte. Nachdem mit seiner Hilfe eine Art Jugendcenter entstanden ist, bot er seinen Garten für Reisende aller Art an. Für diese freundliche, herzliche, weltoffene Atmosphäre hat es sich allemal gelohnt die Strapazen auf sich zu nehmen. Zudem bot uns Michael auch noch an, dass wir bei ihm in der Wohnung duschen dürfen, als Alternative zu unserem Wassersack. Wir waren überglücklich! Es müsste mehr Menschen wie Michael auf der Welt geben, er hat uns mit seiner gelebten Toleranz nachhaltig beeindruckt.

Am nächsten Tag erreichten wir nach einem Bananapancakefrühstück die Donau. Es lag auf einmal ein reißender Strom vor uns. Plötzlich bemerkten wir, dass es auch im Fährbetrieb Ruhetage gibt. Die nächste Brücke lag ca. 10 km gen Westen. Wir entschieden uns nicht zurück zu fahren und es mit einem eingezeichneten Wanderweg zu versuchen, um zur nächsten Fähre zu gelangen. Auch als uns zwei Rentner entgegenkamen und meinten, dass dieser Weg nix für Fahrräder sei, ließen wir uns nicht wirklich davon abbringen es zu versuchen. Der Weg war wirklich nicht zu befahren und auch nicht wirklich zum Schieben geeignet. Rechts die reißende Donau und links ein steiler, aufsteigender, dicht bewachsener Wald. Ein kleiner Wanderpfad führte dazwischen hindurch. Ab und an mit Löchern, die in der Donau endeten oder Bäumen, die den Weg versperrten. Wir mussten bestimmt sechs, sieben Mal all unsere Taschen vom Fahrrad lösen, die Räder und das Gepäck über die Bäume hieven und anschließend alles wieder anmontieren. Die Freude war riesig groß, als wir nach einiger Zeit auf Radfahrer stießen, die den Weg von der anderen Seite „beradelten“ und uns mitteilten, dass jetzt kein unüberwindbares Hindernis mehr kommt. Schwein gehabt, denn ansonsten hätten wir den Wanderweg wieder zurückschieben und danach noch einige Berge bezwingen müssen, um an der nächsten Donaufähre anzukommen.

Wir ließen uns die ganze Zeit treiben und lebten in den angebrochenen Tag hinein. Doch irgendwann bemerkten wir, dass wir nur noch fünf Tage Zeit hatten, bis wir in Wien sein mussten und es waren noch gute 500 km bis dahin! Unsere zu leistenden Mindesttageskilomter waren also ein leichtes Rechenspiel. In den ersten richtig warmen Tagen dieses Jahres mussten wir also ordentlich in die Pedale treten. Ab und an haben wir den Kopf in die Donau oder in Brunnen gesteckt, um etwas Abkühlung zu bekommen.

Trotzdem war es eine richtig schöne Etappe an der Donau entlang gen Wien. Besonders genossen wir die Berge neben uns und rollten dennoch (zumindest meistens) auf flachen Radwegen den riesigen Strom entlang. Zwischendurch passierten wir aber auch wunderschöne Städte, die ihren ganz eigenen Charme versprühten.  Als die Berge noch im morgendlichen Nebelschlaf liegen, fahren wir nach Österreich ohne es überhaupt zu merken. Pünktlich zum Weltradeltag verspeisten wir die ersten Erdbeeren und fuhren unseren 2000sten Kilometer. Jeden Abend konnten wir ins kühle Nass der Donau an wunderschönen und idyllischen Schlafplätzen springen und auf unsere Wassersackdusche verzichten. Während der Fahrt begleiteten uns oft liebe Menschen für ein kurzes oder längeres Stück und wir hatten immer sehr interessante und tolle Gespräche mit ihnen und viel zu lachen, vor allem als man sich dann irgendwann zum dritten Mal zufällig an der Donau wiedertraf. Nachdem wir durch die Marillenmeilen und Weinberge gestrampelt sind, wurde die Umgebung wieder spürbar flacher und wir ließen die Berge (für Österreicher*innen wohl eher Hügel) vorerst hinter uns, um nach Wien zu gelangen. Rückblickend hätten wir an vielen Stellen des Donauradweges noch mehr Zeit verbringen wollen. Es ist einfach beeindruckend wie sich die Wassermengen der Donau durch diese Berge schlängeln und damit eine wunderschöne Naturkulisse erzeugen.

Irgendwann kommen wir völlig fertig in Wien an und haben das Glück bei einem guten Freund unterkommen zu können. Wien ist wunderbar und hat deshalb einen Extrabeitrag verdient. Für uns heißt es jetzt erneut zwei Wochen Zwangspause im Kinderzimmer. Unsere Räder warten währenddessen in Wien bei Moritz auf uns.

Wie es nach unserer Rückkehr weitergeht wissen wir noch nicht.  Auf den letzten Metern nach Wien haben wir erfahren, dass Ungarn die Grenzen geschlossen hat. Auf einmal sind längst vergessene Grenzen wieder da und das mitten in Europa. Angeblich aufgrund der Pandemie, doch uns stellt sich dann die Frage, warum Budapest das einzige, randvolle Stadion einer mehr als fragwürdigen Fußball-Europameisterschaft hat. Geschlossene Grenzen mitten in Europa, das ist etwas was uns bewegt, weil es doch für uns längst zur Vergangenheit gehören sollte. Den letzten Grenzübertritt haben wir wie oben erwähnt ja noch nicht mal bemerkt. Doch sind geschlossene Grenzen für andere Menschen nicht wie für uns nur ein Problem in der Reiseplanung, sondern ein existenzielles Problem, bei dem sie nicht selten ihr Leben aufs Spiel setzen und während der Flucht in Not geraten, um diese zu überwinden. Zwei Freundinnen von uns radeln um Spenden für Sea-Watch zu sammeln. Das finden wir ganz wunderbar und großartig! Wenn auch ihr sie unterstützen wollt, dann werdet Retter*innen und schaut bei Instagram (rette_rette_fahrradkette) oder unter https://sea-watch.org/spenden/aktion/?cfd=xh64l vorbei, um auch anderen Menschen ein sicheres und freibestimmtes Leben wie wir es haben zu ermöglichen.

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