Wir streifen die ungarischen Weinberge und erreichen nach unserer ersten Grenzkontrolle Rumänien. In der Vinăria Jugrestan werden wir für eine gute Woche mitarbeiten und bekommen dafür nicht nur eine herzliche Unterkunft, sondern auch neue Freund:innen. Danach geht es mit dem Rad gen Maramureș und wir sammeln auf dem Weg dahin erste Eindrücke aus Rumänien.

Viel Spaß beim Lesen!

In Ungarn erleben wir seit Langem mal wieder, was es heißt auf einem richtigen Radweg zu fahren. Für uns sind solche asphaltierten Wege direkt neben der Straße schon längst vergessen und wir freuen uns riesig darüber. Wir rollen ganz entspannt über die Berge des Zempléni-hegység an den Fluss Bodrog. Östlich des Flusslaufes erstreckt sich eine weite, flache Landschaft. Im Westen sind die Berge mit ihren Weinhängen zu sehen.

Auf der Suche nach einem Schlafplatz kommen wir zufällig an einem alten, bunten Häuschen vorbei. Wir wollen den netten Opi fragen, ob wir hier unser Zelt aufschlagen können, doch dies geht nur mit Händen und Füßen, denn die ungarische Sprache ist für uns so fremd wie für ihn die Englische. Danach zeigte er uns sein kleines Museum mit Trophäen, Münzen, ausgestopften Tieren und Fischen und zu guter Letzt seinen Wein. Wir probierten uns durch die drei extrem süßen Weinsorten und waren froh, als der Becher leer war. Danach erzählte uns der Opi noch Geschichten von früher und damit wir ihm folgen konnten, warf er immer mal ein deutsches Wort wie z.B. DDR, Sport, Kapitalismus, Tanzen oder Schlafen ein, was uns leider nicht viel half.

Die slowakischen Berge stecken uns noch immer in den Beinen und wir sind froh, dass es in Ungarn größtenteils auf flachem Terrain zwischen Sonnenblumenfeldern und kleinen Städten mit unzähligen Störchen vorangeht. Außerdem freuen wir uns über die kleinen, blauen Wasserspender die es in jedem Ort gibt. Sie sorgen gerade bei den hochsommerlichen Temperaturen für eine gern genommene, kleine Abkühlung.

Mit der Grenze zu Rumänien müssen wir uns nun zum ersten Mal in eine kleine Warteschlange einreihen und unsere Ausweise vorweisen, denn Rumänien ist zwar EU-Mitglied aber nicht im Schengenraum. Uns erinnert dies an unsere Kindheit, wo es noch üblich war an europäischen Grenzen zu warten und wir überlegen, wann wir denn das letzte Mal an einer Grenze warten mussten.

Erschöpft und müde erreichen wir am frühen Abend die Vinăria Jugrestan und werden von Cristi, seinen fünf Hunden und fünf Katzen sowie von Nina und Sasha herzlich begrüßt. Die Zwei sind genau wie wir als Volunteers über Workaway hier, um Cristi bei der Arbeit in den Weinbergen zu helfen. Wir kommen direkt an und fühlen uns gleich wieder richtig wohl.
Nach einer erfrischenden Dusche etikettieren und verpacken wir die Weinflaschen für die Full Moon Party. Anschließend sitzen wir gemütlich auf der Terrasse und bereiten das Abendessen vor. Alles was wir hierfür brauchen finden wir in dem großen Garten. Am Ende kommt alles in einen großen Topf und wird für ein bis zwei Stunden über dem Feuer geköchelt. Das klingt zwar sehr romantisch, bedeutet aber auch, dass wir erst gegen zwei Uhr nachts etwas in den Magen bekommen. Wir gewöhnen uns an die neuen Essenszeiten und genießen es sehr, die nächsten Tage direkt aus dem paradiesischen Garten in den Mund zu leben.

Am nächsten Tag geht es für uns zu einer Full Moon Celebration in das kleine Dorf Luna de Jos. Passender könnte der Ortsname für dieses Event nicht sein. Dafür fahren wir mit dem vollgepackten Auto in die Berge von Transsilvanien und lernen schonmal den verrückten Straßenverkehr von Rumänien kennen. Dort stößt dann auch noch Julien zu uns, ein weiterer Volunteer. Wir helfen Mea noch ein bisschen bei den Vorbereitungen für die Full Moon Party und verbringen einen entspannten Abend am Lagerfeuer.
Mea erzählt uns, wie sie sich damals während einer Rumänienreise in das Land verliebt hat und daraufhin ausgewandert ist. Letztes Jahr hat sie sich hier als Pole- und Aerial Silk Tanzlehrerin ihr eigenes Studio namens Onensa aufgebaut. Da die Gäste erst morgen anreisen werden, dürfen wir im Bett in der Holzscheune schlummern.
Am Samstag unternehmen wir einen kleinen Spaziergang durch den Ort, baden in der Luna und entspannen, wie es sich für einen Samstag gehört. Abends kommen wir in den Genuss eine kleine Show von Mea in ihrer Scheune erleben zu dürfen und bereiten anschließend das Winetasting mit Cristi vor. Im Mondschein erfahren wir viel über biodynamischen Weinbau nach Rudolf Steiner, der sich nicht nur nach dem Zyklus des Mondes richtet, sondern auch nur mit Präparaten arbeitet, die aus rein natürlichen Mitteln hergestellt werden. Cristi ist es bei seinen Winetastings besonders wichtig, keine geschmacklichen Eindrücke vorzugeben, sondern es geht ihm vielmehr darum, dass man selbst herausfindet, was man mit dem entsprechenden Wein verbindet und so kommen wir nach jeder Probierrunde in Gespräch darüber, an was uns dieser Wein erinnert oder was wir mit ihm verbinden.

Auf dem Rückweg fahren wir einen kleinen Umweg und finden uns auf einmal bei einem Konzert mit rumänischer Musik wieder. Als dieses zu Ende geht, werden wir zur After Show Party in das nahe gelegene Kloster eingeladen. Wir fahren in der Dunkelheit eine holprige Straße in die Berge, stellen unsere Zelte im Wald auf und als wir fertig sind wird ein riesiges Feuer entzündet, begleitet von singenden Kindern, die hier gerade im Musikcamp sind. Später sitzen wir mit den Mönchen am Tisch, bekommen reichlich Essen und trinken den guten Wein von Cristi. Unglaublich was wir hier alles erleben!

Zurück in Carei entspannen wir uns und beginnen erst mit der Arbeit, als die Sonne schon etwas schwächer ist. Wir entfernen die schlechten, vertrockneten Trauben und reißen ein paar Blätter aus den Weinstöcken raus, sodass die Trauben mehr Sonne und mehr Luft bekommen. Am nächsten Tag helfen wir Cristis Mama und ihrer Freundin bei der Zwiebelernte und flechten die Zwiebeln anschließend zum Trocknen. Außerdem dürfen wir beim Weinabziehen zusehen und dem anschließenden Filtern helfen. Als die Flaschen fertig befüllt sind, werden die Korken von uns hereingestanzt und die Flaschen im Weinkeller eingelagert.

Es war wirklich toll Cristi bei der Arbeit begleiten zu dürfen, denn sobald er über seinen Wein spricht, funkeln seine Augen und man spürt, dass sein Wein seine große Leidenschaft ist. Besonders beeindruckt sind wir von seiner Arbeit im Einklang mit der Natur und von dem Gedanken, dass er seinen Wein als eine Kunst sieht. Das kann man nicht nur schmecken, sondern auch an der Aufmachung der Weinflaschen erkennen. So zeigen einige Etiketten Ausschnitte aus Kunstwerken eines Freundes und für seinen wertvollsten Wein, hat Cristi das Etikett mithilfe eines Freundes durch Siebdruckverfahren mit eingearbeiteten Rosenblättern sogar selbst hergestellt.

Mit einer Fläche von unter einem Hektar ist die Vinăria Jugrestan eines der kleinsten Weingüter Rumäniens. Im Jahr 2015 hat Cristi das Unternehmen gegründet. Ab 2018 begann er aber erst so richtig seinen Wein auf Weinverkostungen zu präsentieren. Mittlerweile produziert er ca. 5.000 Flaschen a 0,7 Liter im Jahr. Wir können den Wein nach ausgiebigen Winetastings wärmstens empfehlen. Also schaut bei Interesse gern mal vorbei: https://vinariajugrestan.ro/

Nach einer unglaublichen Woche bei Cristi heißt es nun wieder Abschied nehmen. Mit Cristi, Nina, Sasha und Julien haben wir vier neue Freunde gefunden und wir hatten eine wunderschöne Zeit zusammen. Manchmal hatte man das Gefühl, dass man sich schon viel länger kennt, als nur ein paar Tage. Es war einfach wundervoll im vineyard! Danke für die schöne Zeit!

Frisch und ausgeruht radelten wir anschließend noch einmal durch Carei in Richtung Norden, als auf einmal das Telefon klingelte. Cristi wollte uns noch ein Abschiedsgeschenk geben, also verabredeten wir uns in der nächsten Stadt an der Kirche. Von dem Priester und seiner Frau, die auch Cristi nicht kannte und dort neu kennenlernte, wurden wir direkt auf kaltes Wasser und Kuchen eingeladen. Danach hieß es dann aber wirklich Abschied nehmen!

Mulțumesc mult și Sănătate!

Für uns geht es dann weiter über Satu Mare nach Baia Mare. Dabei sammelten wir erste Eindrücke aus den rumänischen Dörfern und Städten. Uns fällt auf, dass es überall sehr viele Kirchen gibt. Der Glaube spielt in Rumänien eine wichtige Rolle. Nicht umsonst wird Rumänien als eines der religiösesten Länder in Europa bezeichnet. Ca. 85 % der Bevölkerung bekennen sich zur rumänisch- orthodoxen Kirche.

Um dem schrecklichen Straßenverkehr zu entkommen, wählen wir kleine Straßen und Feldwege mit Überraschungen in der Wegführung. Als wir dann noch eine rumänische Warn SMS für Unwetter erhalten, der Weg immer schlechter und der Himmel immer dunkler wurde, ist auch uns nicht mehr so ganz wohl zumute. Umso größer war die Erleichterung, als wir den Camping mit Beginn des starken Wolkenbruches erreichten. Später wurde es noch heftiger und es stürmte, blitzte und donnerte, Äste flogen durch die Gegend, Sirenen heulten und selbst die Kirchenglocken läuteten zur Warnung. Zum Glück hatten wir heute eine kleine Schutzhütte.

Noroc!

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Am liebsten wird ich zu jeder euer Posts einen Kommentar abgeben! Ich weis genau wie viel Zeit und Mühe hinter die Verfassung der Texte und der Auswahl die Bilder steckt. Es macht Spaß zu lesen wie Gleichgesinnte eine ähnliche Tour beschreiben und erleben.
    Ich hole quasi grad die alten blog posts nach und es macht echt Spaß die anzuhören. Danke 🙂