Der Nordosten des Landes zeichnet sich durch endlose Bergketten und beschauliches Dorfleben aus. Das Radeln durch die steilen, laotischen Berge bringt uns nicht nur körperlich, sondern auch mental an unsere Grenzen.
In der weitläufigen Provinzstadt Xam Neua gibt es außer Verwaltungsgebäuden und dem Frischmarkt eigentlich nicht so viel zu sehen. Als wir die Stadt durchqueren findet allerdings gerade eine Art Stadtfest statt, was den Ort für uns doch ziemlich interessant macht. Der zentrale Platz ist voller Stände mit Produkten aus der Umgebung, Essen sowie einer Hüpfburg und klapprigen Karussellen. Da kommt auch bei uns gleich etwas Jahrmarktstimmung auf.
Auch am nächsten Morgen ist Xam Neua wieder gut gefüllt. Die buddhistischen Mönche in ihren safranfarbenen Gewändern brabbeln auf der Bühne in ihre Mikrofone.
Etwa 65 % der laotischen Bevölkerung bekennen sich zum Buddhismus. In Laos wird vor allem die Schule des Theravada- Buddhismus praktiziert, die nicht nur die älteste, sondern auch unverfälschteste Lehre des Buddha sein soll. Die Laot*innen versuchen sich an die Regeln des Buddha zu halten (z.B. nicht töten, stehlen, lügen usw.) und Gutes zu tun, um entsprechend ihrer Taten glücklich oder unglücklich wiedergeboren zu werden.
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, um Verdienste und damit gute Taten zu erwerben. Als verdienstvoll gelten beispielsweise, den Mönchen beim morgendlichen Almosengang Speisen in ihre Schalen zu legen oder Klöster durch Geld zu unterstützen.
Auch an diesem Morgen bringen viele Familien festlich gekleidet Opfergaben zum Platz. Die Frauen tragen heute vermehrt die laotische Tracht, den pha sin, einen schmalen, langen Rock mit filigranen Webmustern. Einige sogar den pha bieng, einen Seidenschal, der zu festlichen Anlässen über dem Oberteil als breites Band von der linken Schulter aus schräg über den Oberkörper getragen wird. Ein sehr sehenswertes Schauspiel.
In Laos schrauben wir die Ansprüche wieder herunter. Die Unterkünfte im Nordosten sind günstiger, aber auch viel einfacher als in Vietnam. Die Duschen bestehen, wie wir es bereits aus Südasien kennen, oft aus einem Eimer und etwas zum Schöpfen sowie Hocktoiletten. Wir schlafen wieder in einfachen Hütten oder kleinen Gästehäusern. Einmal kommen wir auch in einem Haus traditioneller Bauweise unter. Die Dachdeckung aus Schilf konnten wir bis jetzt nur bei der Herstellung am Straßenrand begutachten, heute bietet es uns einen Unterschlupf.
Wir sind umgeben von Wald, es zirpt die ganze Nacht. Insekten schwirren herum und bahnen sich ihren Weg durch die Schlitze des Holzhauses. Ohne unser Moskitonetz hätten wir hier nicht unsere Ruhe. Ein weiterer nächtlicher Begleiter des Naturkonzertes ist der Gecko, dessen Geräusche uns eigentlich eher an einen Vogel, als an ein Reptil erinnern. Bereits in Vietnam klebten die kleinen Profikletterer an jeder Wand und auch hier bahnen sie sich ihren Weg durch jeden noch so kleinen Spalt. Untermalt wird die Szenerie vom plätschernden Wasserfall hinter dem Haus.
Die Nacht in der traditionellen Unterkunft, gehört allerdings zu den besseren, die wir diese Tage haben. Eigentlich quälen wir uns mehr durch die Berge von Laos. Jeden Tag haben wir knackige Etappen mit vielen Höhenmetern vor uns. Da die Sonne so stark ist, klingelt unser Wecker weiterhin gegen halb fünf in der Früh.
Die Morgenstunden wirken im Gegensatz zur prallen Nachmittagssonne recht wohltuend. Da die laotische Mentalität jedoch am zumindest etwas kühleren Abend gern ein bisschen lauter und energischer den Tag ausklingen lässt, kommen wir nicht wirklich auf ausreichend erholsamen Schlaf.
Ein weiteres Problem ist das Essen! Wir können unseren Hunger nicht immer stillen. Nun haben wir aufgrund der Hitze auch nicht immer den Appetit wie sonst, aber unsere Körper sehnen sich sichtlich nach Nährstoffen. Zum einen sind die hiesigen kleinen Shops nicht wirklich hilfreich, sie bieten oft nur Süßigkeiten und Chips an. Die Kekse sind oft einzeln in Plastiktüten verpackt. Außerdem stehen wir jetzt auch nicht so auf die Nagetiere, die es hier ab und an in kleinen Käfigen für die nächste Suppe gibt.
Zum anderen finden wir selbst in den großen Supermärkten der Städte kaum etwas, mit dem wir etwas anfangen können. Uns fehlt einfach die Energie und Lust uns auf die Zubereitung der laotischen Küche einzulassen. Ein weiteres Problem ist, dass der wichtigste Nährstofflieferant, der Reis, nicht einfach so zu haben ist. Wahrscheinlich wird er nicht verkauft, weil die Familien ihren eigenen besitzen oder der Reis in großen Säcken geliefert wird.
Gemüse finden wir ebenfalls nur auf den Märkten der großen Städte. Bei den Temperaturen können wir uns nur für den Folgetag mit etwas Frischem eindecken. Auch der Besuch eines Marktes in Laos ist etwas gewöhnungsbedürftig und nichts für schwache Nerven. Neben toten Ratten, die fein aufgereiht in der Auslage liegen, sehen wir auch lebende Schildkröten umgedreht auf dem Panzer strampeln. Die angebotenen, noch krabbelnden Insekten heben uns diese Tage am wenigsten an. Wir haben zwar gehört, dass in Laos alles gegessen wird, doch langsam verinnerlichen wir diese Phrase mehr und mehr. Der Hund, der gerade vor uns mit dem Bolzenbrenner enthaart wird, ist da wohl nur das i-Tüpfelchen.
Da wir es mit der Selbstversorgung in dieser Gegend nicht so leicht haben, bleibt uns nur das Aufsuchen eines Lokals übrig. Was, wie man sich vielleicht bereits denken kann, auch nicht das Einfachste der Welt ist. Denn ein Schild mit „Restaurant“ findet man nur in den großen Städten. In den Dörfern kann man also nur hoffen, dass man gerade eine Hütte sieht, vor der ein paar Laot*innenen ihre Suppe löffeln und selbst dann bleibt zu hoffen, dass es nicht einfach der gemütliche Mittagssnack einer Familie ist.
Wenn wir uns mit Händen und Füßen in der Dorfgemeinschaft in eine Nebenstraße leiten lassen und tatsächliche ein Etablissement finden, sind wir auch schon beim nächsten Problem, der Kommunikation. Dass wir mit Englisch nicht weiterkommen, haben wir ja in Vietnam schon festgestellt, doch nun kommt eine Schrift hinzu, die wir nur als schöne aber wenig hilfreiche Hieroglyphen abstempeln können. Also landet im besten Fall immer eine Fö (Reisnudelsuppe mit Fleisch) oder gebratener Reis auf unseren Tellern, wobei wir aus Erfahrung bis zuletzt hoffen, dass da wirklich gebratener Reis kommt.
Unsere Stimmung ist also gerade eher im Keller. Wir sind müde, hungrig, erschöpft und ausgelaugt. Durch die Visabestimmungen haben wir einen gewissen Zeitdruck im Nacken und eigentlich keine Zeit für eine Pause, die wir wohl so dringend benötigen. Unser Alltag bietet seit Wochen bzw. Monaten keine Zeit zum Durchatmen.
Wenn wir einen oder zwei Tage Pause vom Radeln machen, sind wir damit beschäftigt, das Erlebte zu verarbeiten. Einerseits indem wir keine neuen Eindrücke aufsaugen, andererseits durch das Sortieren der unzähligen Bilder und das Blogschreiben, was doch immer sehr viel Raum einnimmt.
Wir sind zwar absolut keine Planer*innen, aber während einer längeren Reise kommt man um Routenplanung, Visavorschriften usw. leider nicht herum. Wir hätten wohl beide vor der Reise nicht gedacht, dass wir doch immer wieder so viel planen müssen und wie viel Zeit das Ganze dann einnimmt.
Beim Gedanken daran, dass einige Leute wohl manchmal denken, wir machen seit geraumer Zeit Urlaub, müssen wir lachen. Eine Radreise ist alles, aber sicherlich kein Urlaub.
Unsere Reise ist schon längst zum Alltag geworden und da gehören Höhen und Tiefen eben auch dazu. Das wissen wir natürlich und uns ist auch bewusst, dass die Motivation durch sehr viele kleine Erlebnisse unterwegs schnell zurückkehrt. Wie die schönen Momente, sind diese Emotionen eben auch Teil der Reise!
Wir erleben die schönen Momente aber auch an diesen Tagen. Glücksmomente, die uns verdeutlichen, warum wir all die Strapazen auf uns nehmen. Warum wir gefühlt im hintersten Zipfel der Welt mit dem Rad in der prallen Sonne über irgendwelche Berge strampeln. Es sind die kleinen, abgelegenen Dörfer und vor allem die Menschen, die dort wohnen und denen wir hier begegnen.
Gefühlt ist der Standard noch einmal geringer als in Nepal. Die Häuser sind hier klapprige Holzhütten, die teilweise auf Stelzen stehen. Der Boden besteht aus rot-braunem Lehm, darüber das verwitterte, graue Holz der Häuser, welche ab und an in Farbe getaucht wurden.
Vor den Häusern stehen oft die alten Webstühle. In der Mittagssonne eher reglos und wartend auf die fleißigen Hände, die hier Tag ein Tag aus Seidenprodukte herstellen. Das Handwerk und die Anerkennung, dass dies eine wichtige Arbeit ist, spielt hier wohl eine große Rolle. Es ist schön dies zu sehen. Neben den Webstühlen sehen wir auch immer wieder Korbflechter*innen und wie die Felder in mühsamer Arbeit bestellt werden.
Die älteren Menschen begegnen uns manchmal auf den ersten Blick skeptisch, verwundert und zurückhaltend. Durch das öffnende Sabai dee (Hallo) wechselt die Stimmung augenblicklich in ein herzliches und ehrliches Lächeln. Viele zeigen ihre Freude über uns Fremde jedoch sofort, am energischsten sind dabei die Kleinsten. Überschwängliches Gekreische und Gekicher hören wir oft schon lange bevor wir überhaupt jemanden sehen. Wenn wir uns dann dem Häuschen nähern, kommt eine nach dem anderen aus der Hütte hervor und winkt uns über beide Wangen grinsend entgegen. Auch in dieser Situation hebt das Sabai dee die Euphorie noch einmal auf eine höhere Stufe. Manche Kinder schauen uns allerdings auch einfach nur sprachlos und völlig fasziniert, mit förmlich offenen Mündern, an.
Wir sehen hier in den Dörfern so viele Kinder und fragen uns, ob wir schon einmal irgendwo so viele Kinder gesehen haben. Vielleicht liegt es daran, dass gerade keine Schule ist. Vielleicht gibt es auch gar keine Schule. Wir wissen es nicht, aber es bleibt uns im Kopf. All diese kleinen, herzlich lachenden Kinder.
Nach all den erschöpfenden Tagen liegt nun also einer der härtesten Radeltage unsere gesamten Reise vor uns und dies auch schon allein ohne die Bedingungen, die uns hier umgeben. Auf knapp 90 Kilometern werden wir ein bergige Hochlandschaft überqueren und dabei ca. 1.900 Höhenmeter überwinden. Damit wir dies überhaupt überstehen und uns die Energie unterwegs nicht ausgeht, bereiten wir uns diesmal ein paar Lunchbeutel vor!
Mit den ersten Sonnenstrahlen strampeln wir los. Die kleine Ortschaft Sop Lao ist auch schon auf den Beinen, wenn auch verschlafen, denn ziemlich verdutzte Gesichter schauen uns entgegen. Die Luft ist warm, aber durch den Fahrtwind wirkt es fast angenehm. Wir kurbeln uns auf den nächsten 20 km von 600 auf 1.500 m über Meereshöhe hinauf. Als wir den Peak erreichen ist es gegen halb zehn und langsam wird die Sonne immer stärker und die kühlenden Schatten immer kürzer.
Die Etappe ist so eng gestrickt, dass wir keine Zeit für eine Pause haben. Eine Unterkunft gibt es nicht und das bergige Gelände lädt nicht gerade zum Zelten ein, zumal da auch die Angst vor Blindgängern aus dem Krieg mitspielt. Die Jeeps des Mienenräumungsdienstes und die Warnschilder erinnern uns des Öfteren an diese Gefahr. Wir müssen also mal wieder auf die Zähne beißen!
Auf den nächsten 50 km befinden wir uns ständig auf über 1.300 m, was die Temperaturen wohl etwas verringert, trotzdem brennt die Sonne. Wir schwitzen, was das Zeug hält. Unsere Shirts können wir mehrmals auswringen und ohne den Bambushut würden wir wohl vollkommen verbrennen. Das Gelände lässt uns keineswegs durchatmen, es ist ein ständiges auf und ab. Die hügelige Landschaft verlangt uns alles ab. Es zwickt und brennt in den Beinen, jedes Mal, wenn wir in einer Senke wieder einen Anstieg vor uns haben, glauben wir, die Beine zerspringen gleich. Selbst beim Knuspern eines Kekses verzieht sich im Mund sämtliche Kiefermuskulatur und der Biss hinterlässt nichts als einen sauren Geschmack. Vermutlich handelt es sich dabei um den klassischen Zuckerschock gepaart mit totaler Erschöpfung.
Unsere Beutel mit Nudelsalat retten uns diesmal über den Tag. Wir erblicken nur ein einziges Restaurant auf der ganzen Strecke! In den kleinen Shops, wenn es denn ein Dorf gibt, bekommen wir manchmal nicht mal ein Wasser! Es gibt lediglich Süßigkeiten, Beerlao und härteren Alkohol. Um all die Einzelheiten und kleinen Dinge in den abgelegenen Dörfern aufsaugen zu können, fehlen uns einfach die Kräfte. Wir sind wie in einem Tunnel, einfach nur treten.
Mehr als erschöpft quälen wir uns auf die letzte Anhöhe hinauf, es sind wie so oft knackige 10-12 %, die unsere Muskeln zerreißen wollen. Dann sind wir oben und haben es dann doch wieder irgendwie geschafft, auch wenn wir uns am Anfang fragten, wie wir diesen Tag überstehen sollen. Aber ja, diesmal war es extrem harte Arbeit, körperlich wie mental!
Dann geht es ca. 20 km bergab. Die Luft ist kühler, der Regenwald hier noch etwas intakter als zuvor. Ab und an ist die Straße eingehüllt in schattenspendende Bäume.
Das war leider nicht immer so, denn eigentlich haben wir uns auf eine Strecke durch den Regenwald gefreut, doch die Eingriffe des Menschen in die Natur sind hier so eindeutig sichtbar, wie schon lange nicht mehr. Die dicht bewaldeten Hügel sind immer wieder durch kahle Stellen unterbrochen. Teilweise liegen die Brände noch nicht so weit zurück und Brandrodung ist deutlich sichtbar. Nach unserer Waldbranderfahrung in Nepal sind wir sehr froh darüber, dass die großen Brände bereits vorüber sind, denn wir können die Brände noch riechen und vereinzelt qualmt es sogar noch etwas.
Wir erreichen am Abend völlig gerädert die kleine Stadt Muang Kham. Bei der einen schmerzt der Außenknöchel am Fuß und beim anderen der Rücken. Bleibt nur zu hoffen, dass es sich einzig und allein um Zeichen dafür handelt, dass wir es etwas übertrieben haben und die Wehwehchen bald wieder verschwinden.
In einem kleinen Restaurant funktioniert die Bestellung glücklicherweise und zwei kleine Portionen Reis stehen vor uns. Wir schleppen uns in unsere Unterkunft und fallen völlig erschöpft ins Bett, morgen lassen wir den Wecker aus!
Es ist definitiv Zeit, um die Bremse zu ziehen. Ganz in der Nähe befinden sich Hot Springs und auch, wenn die Außentemperaturen den heißen Quellen ähneln, so ist es doch die perfekte Gelegenheit, um unsere Beine für einen Tag einfach mal baumeln zu lassen. Da hier gerade absolut keine Saison ist, haben wir die Becken mit dem wohltuenden Nass sogar ganz für uns allein.
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Guten Abend!
Eure Fotos sehen wieder bezaubernd aus in den vielfältigen Grüntönen! Wie ihr schon geschrieben habt: es geht manchmal Up und dann auch Mal wieder down! Wie gut, dass ihr keine Reiseanfänger seid und die Lage jeweils einschätzen könnt! Wir wünschen euch noch viele Tage Erholung im Jacuzzi und möglichst wenig Zeitdruck! Viele Grüße aus Kiel von Renate und Karen und der Kieler Woche 🛥️🚤⛵⛱️