Wir unternehmen einen kurzen Abstecher nach Tajikistan, bevor dort die Kälte einbricht. Es erwarten uns nicht nur ganz entzückende Menschen, die uns mit offenen Armen und Herzen empfangen, sondern auch eine wunderschöne Bergwelt.

Viel Spaß beim Lesen!

Der Start nach Tajikistan verläuft zunächst etwas holprig, was nicht nur an den vielen Löchern in der Straße liegt, sondern vor allem daran, dass unsere Mägen mal wieder ordentlich rumpeln. So ganz zur Ruhe kommen sie in Zentralasien irgendwie nicht. Mit Magenkrämpfen und ziemlich erschöpft quälen wir uns durch den chaotischen und stark frequentierten Verkehr die ca. 60 km bis zur Grenze. Der Grenzübergang ist glücklicherweise das ganze Gegenteil zu diesem Fiasko. Wir werden auf beiden Seiten nett empfangen und sind nach 20 min und einem ersten gratis Tajikischsprachkurs direkt vom lächelnden Grenzbeamten während der Passkontrolle in unserem 14. Reiseland angekommen. Die Wörter kommen uns bekannt vor, denn die tajikische Sprache ist eine Varietät des Persischen und so können wir nach unserer Zeit in Iran einiges verstehen und unser Farsi wieder rauskramen.

Салом Точикистон – Salom Tajikistan

Tajikistan bzw. der Pamir Highway, das war eines unserer großen Ziele auf der Reise. Mit dem Fahrrad über das Dach der Welt, über die zweithöchste befestigte Bergstraße. Abgeschieden von der Welt in einer unglaublichen Berglandschaft und umgeben von Menschen, denen man auch eine der herzlichsten Gastfreundschaften nachsagt – Pamir. Doch bereits im Frühjahr dieses Jahres gerieten unsere Pläne ins Wanken. In der autonomen Pamir Region Berg-Badachschan (GBAO) gibt es schwere Ausschreitungen. Menschen sterben bei den Protesten, die von der Regierung gewaltsam niedergedrückt werden.
Etwas später kommt es dann auch noch zu Grenzkonflikten zwischen Tajikistan und Kirgistan, ebenfalls mit Toten, woraufhin die Grenzen geschlossen werden.
Die Lage in GBAO beruhigt sich, aber es bleibt eine Sackgasse. Wir entschieden uns daher nach Almaty zu fliegen und nicht nach Duschanbe, wir entschieden uns gegen den Pamir, auch wenn es uns nicht leicht gefallen ist, denn ob man in ein paar Jahren hier noch unter diesem Charme radeln kann oder ob die chinesischen Investitionen in die „Neue Seidenstraße“ eine weitere Betonautobahn in die Natur zimmern und Dörfer dafür weichen müssen,  bleibt fraglich.

Aber dann kommt doch noch einmal ein kurzer Hoffnungsschimmer auf. Wir hören von anderen Reisenden, dass sie die Grenze auf dem Kyzyl-Art Pass überquert haben. Allerdings mit Hilfe eines Übersetzers und einer gehörigen Portion Bestechungsgeld. Es kreiselt in unseren Köpfen: Geht es doch noch? Ist es im Oktober nun schon zu kalt? Sollen wir es wagen? Doch dann wird uns die Entscheidung leider abgenommen – der Grenzkrieg flammt wieder auf, der Pamir Highway ist passé und bleibt für uns vorerst ein Traum.

Nachdem wir in Esfahan aufgrund der geschlossenen Grenzen unsere Räder in den Flieger stecken mussten, ist das nun die zweite größere Enttäuschung unserer Reise. Aber trotzdem sind wir froh, dass wir zumindest noch eine kleine Runde durch Tajikistan drehen können.

Schon wenige Meter nach der Grenze werden wir wild winkend von den vielen Kindern am Straßenrand und den Erwachsenen auf den Feldern begrüßt. Die ersten Kilometer hier verfliegen schnell, denn die Straße ist neu gebaut und es läuft auch gleich viel leichter, nachdem man die Grenze überstanden hat.

Wir kommen nach dem kräftezehrenden Tag dennoch ziemlich müde und kaputt in der Stadt Panjakent an. Das Gästehaus haben wir aufgrund der ansteigenden Preise schon im Voraus gebucht, aber die Leute hier sehen nicht so aus, als hätten sie mit uns gerechnet. Viel eher wirkt es so, als ist hier gerade schon Winterpause. Das Haus ist schon zur Renovierung einfoliert. Wir sind genervt und wollen eigentlich nur noch ins Bett. Unsere Farsikenntnisse sind dann doch nicht so üppig, dass wir uns mit der Familie, die – wie sich später herausstellt – hier nur arbeitet und auf das Haus aufpasst, verständigen können. Ein paar Telefonate später, kommt dann eine Frau angefahren, die Englisch spricht, den Schlüssel dabeihat und öffnet uns die Tür zu unserer wohlverdienten Waagerechten.
Auch am nächsten Tag gehts uns noch nicht wirklich besser und so legen wir noch einen Tag Zwangspause im ominösen Gästehaus mit Hang zur Sowjetunion ein. Am Abend soll es dann eine magenschonende Gemüsebrühe geben, doch auch hier ist es schier eine unglaubliche Attraktion, dass diese von einem Mann zubereitet wird. So richtig glaubt die Mutter der Familie nicht daran, dass es funktioniert, und so wird jeder Schritt von ihr begleitet. Später, als sie einsieht, dass das Wasser auch ohne ihre direkte Aufsicht hochkochen kann, lehnt sie sich zurück. Allerding ist sie jetzt nicht mehr allein, sondern die ganze Familie ist in der winzigen, nach Milchsäure riechenden Küche, versammelt. Staunend und lächelnd schauen nun als noch der Vater und die drei Jungs zu, wie man(n) eine Gemüsebrühe zubereitet.
Doch so richtig sollen sich unsere Mägen nicht erholen und so reisen wir auf kulinarischer Sparflamme durch Tajikistan.

Nun können wir uns endlich voll und ganz Tajikistan widmen. Wir radeln am Zarafshon entlang durch das sehr fruchtbare Tal des breiten Flusses. Überall ist die Ernte in vollem Gange und es werden Trauben sowie andere Leckereien direkt von den Feldern verkauft. Blöd nur, dass wir unsere Mägen lieber noch schonen sollten.
Mit dem Wadenschonen ist es jetzt erst einmal wieder vorbei, denn die Berge rufen schon und wir verabschieden uns vom flachen Flusstal.

In den Bergdörfchen werden wir immer wieder neugierig bestaunt und herzlich begrüßt. Herzlich im wahrsten Sinne des Wortes, denn nahezu jede(r), egal ob jung oder alt, ob klein oder groß begrüßt uns hier mit einer ganz wunderbaren Geste: Hand aufs Herz! Zwar ist uns diese Geste vor allem aus den muslimischen Ländern bekannt, die wir bereits bereist haben, aber in diesem Ausmaß wurde sie uns noch nirgendwo zur Begrüßung entgegengebracht. Wir jedenfalls finden sie ganz wunderbar und fragen uns, ob sie nicht sogar das Zeug dazu hätte, die Welt zu einer besseren zu machen.

Zwischen den Weiden, die hier häufig mit Steinzäunen umgeben sind, werden wir von einem Kuhhirten in sein Zelt zum Teetrinken eingeladen. Nachdem wir die Schuhe ausgezogen haben, sollen wir auf dem Teppich im Zelt Platz nehmen. Draußen wird derweil noch der staubtrockene Acker mit dem störrischen Esel gepflügt. Neben uns liegt ein uns neugierig anstarrendes, warm eingepacktes Baby und wir können dem kleinen Ismael, der uns immer wieder ganz euphorisch begrüßt, mit unseren Schokokeksen eine riesige Freude machen.

Eine junge Frau holt selbstgemachten Kefir und Naschereien für uns aus der provisorischen Zeltküche, die durch ein Tuch vom restlichen Zeltraum abgetrennt ist und schenkt uns wenige Zeit später den warmen Cay in die Teeschüsseln. Nun setzt sich auch Tochan mit zu uns, aber erst nachdem er das Brot für uns geteilt und uns gereicht hat. Eine Teezeremonie besteht in Zentralasien nie nur aus Tee, sondern es werden meistens noch selbstgemachter Joghurt, Brot, Marmeladen, Obst oder Nüsse dazu serviert.

Als wir uns verabschieden wollen, dürfen wir nicht, denn gleich gibt es noch Essen. Wir haben noch einige Höhenmeter vor uns und versuchen es noch einmal, aber Widerstand ist zwecklos! Zum Glück, denn dadurch kommen wir wenig später in den Genuss von frischem Plow.
Der Reistopf mit Möhren und Fleisch, den es in unzähligen Varianten gibt, wird über dem Feuer im kazan zubereitet. Die großen Gusseisenkessel sind in ganz Zentralasien genau so präsent wie das Gericht selbst. Wir haben schon oft den Ausspruch gehört, dass man nicht in Zentralasien war, wenn man kein Plow gegessen hat. Aber so richtig an das Gericht herangetraut haben wir uns bisher nicht, da es oftmals mit viel zu viel Fleisch und zu viel Öl zubereitet wird und das wohl nicht gerade magenförderlich für uns gewesen wäre.  

Im Gegensatz zur Teezeit, die wohl nur für uns eingeschoben wurde, sitzen wir beim Mittagessen dann mit allen zusammen. Es ist ein viel schöneres Gefühl, wenn nicht extra nur für uns alles stehen und liegen gelassen wird, wie wir es in anderen Ländern schon oft erlebt haben.
Die Frauen und Männer, die eben noch mit der Feldarbeit beschäftigt waren, nehmen nun alle im Zelt Platz und es herrscht eine lustige Atmosphäre. Wir unterhalten uns mal wieder mit Händen, Füßen und unserem ohne Wörter Wörterbuch. Gegessen wird ohne Besteck, der Reis wird in der Hand zu kleinen Kugeln geformt und verschwindet dann auch schon im Mund.
Am Ende hält Oma Barno noch eine Rede und auch wenn wir nicht wirklich viel verstehen, so wissen wir doch, dass sie Allah für unseren Besuch dankt und uns die besten Wünsche mit auf den Weg gibt. Es folgt das obligatorische „amin“ sowie das Streichen über das Gesicht und damit ist das gemeinsame Essen beendet. Draußen werden wir noch von ihr abgebusselt und uns werden viele Kinder gewünscht. Die Verwunderung und Sorge darüber, dass wir bisher noch keine haben, ist auch in Zentralasien Thema Nummer eins.   

Gestärkt kurbeln wir immer weiter nach oben, wobei auch die Piste immer schlechter wird. Loser Flusskies, Sand sowie Schotter und eine Piste, die dazu auch noch immer steiler wird. Ein richtiger Esel ist hier wohl die bessere Wahl. Wieder müssen wir gemeinsam ein Rad schieben, vielleicht auch weil uns im Moment einfach die Kräfte fehlen. Das Panorama wird dafür aber immer atemberaubender. Die markanten, recht spitzen Gipfel der Fann-Berge begrüßen uns bei bestem Sonnenschein. Dazu sprudelt uns ein kleiner, aber kräftiger Gebirgsfluss entgegen. Etwas weiter oben erhaschen wir dann auch die ersten Blicke auf die imposanten Gletscher, die gute 5.000 m in die Höhe sprießen.

Am frühen Nachmittag erreichen wir das sogenannten Artuch Basecamp, wobei es mehr Hüttencharakter hat. Wir bauen unser Zelt im Garten auf und genießen den Ausblick beim Kochen. Doch schon bald holt uns die Kälte der Berge ein und wir verschwinden im Zelt.

Wir lassen unsere Räder im Basecamp stehen, leihen uns einen Rucksack im Retrostyle aus und begeben uns auf den Trek zum Kulikalonsee. Gegen Mittag haben wir alles in die Rucksäcke verpackt und starten in die wunderschöne Bergwelt.
Die Markierung des Weges ist so gut wie nicht vorhanden und ohne unsere GPS-Apps wären wir wohl ziemlich aufgeschmissen. Der Weg ist zwar gut zu sehen und anhand der vielen Wanderschuhabdrücke auch eindeutig als Wanderweg zu identifizieren, nur kreuzt dieser Weg ab und an die zahllosen Viehpfade der Berge. Passt man nicht auf, findet man sich schneller auf einem solchen wieder als einem lieb ist. Spätestens, wenn dieser Weg im Gestrüpp endet oder sich gänzlich vom Ziel entfernt, merkt man, dass da etwas faul ist.

Als wir oben ankommen eröffnet sich uns ein traumhafter Blick auf den Gebirgssee auf ca. 2800 m. Wir sind gerade noch rechtzeitig, bevor die Berge ihre Schatten auf das türkisfarbene Wasser werfen. Wir steigen hinab und bauen unser Zelt vor der unglaublichen Kulisse des Bergmassivs auf und genießen die Stille.

Es wird kalt und schon bald verschwinden wir in unserem Zelt. Die Temperaturen kratzen wieder am Gefrierpunkt, doch in unserer Villa Sonnenschein ist es kuschelig warm. Nach einem wärmenden Süppchen holen wir zum einen die Wärmflasche heraus und zum anderen bauen wir eine kleine Mauer aus Steinen um die Stirnseite des Zeltes, um den eisigen Wind fernzuhalten. 

Die Wanderung zurück geht vor allem bergab. Wir verbringen noch eine kühle Nacht im Camp und rollen bzw. rattern dann die altbekannte Straße wieder nach unten. Schon bald werden wir auch hier wieder zum Teetrinken eingeladen. Wir zögern eine Weile, da wir sowieso schon ganz schön spät losgekommen sind, aber die süße Munera lässt einfach nicht locker, nachdem sie eine Proberunde auf unseren Rädern drehen möchte, und so sitzen wir wenig später auf ihrem Taptschan. Das meist aus Holz gefertigte Gestell, dient sowohl im Freien als auch in der Wohnung, als erhöhte Sitz- oder manchmal auch Schlafstätte und darf nicht mit Schuhen betreten werden.

Schon bald serviert uns die liebe Ruznora Cay und die obligatorischen Ergänzungsleckerein, bevor sie sich später zum Mittagsgebet ins Zelt begibt. Munera kann man ansehen, dass sie ein riesiges Herz hat. Sie freut sich sehr über unseren Besuch und wir unterhalten uns, soweit es geht. So richtig schlau werden wir aber nicht aus der Zusammensetzung hier und wir vermuten, dass es sich um eine Art Fraueninitiative handelt. Der kleine, sportbegeisterte Bachtior freut sich jedenfalls sein Englisch zu präsentieren und wir sind begeistert Edigul beim Spinnen der Fäden für die Decken und Teppiche, auf denen wir sitzen, zuzusehen. Nach der entspannten Teezeit heißt es dann auch schon wieder Abschied nehmen von sehr herzlichen Menschen.

Nun machen wir etwas zum ersten Mal auf unserer Reise, wir radeln mehrere Tage denselben Weg zurück, den wir auch schon gekommen sind. Wir campen sogar ein zweites Mal an einem Platz und wir schlafen wieder im Gästehaus in Panjakent. Nur auf dem Weg dahin fahren wir auf der anderen Flussseite entlang und es wird sehr schnell ersichtlich, dass die fruchtbare Gegend dem Zarafhon entspringt und sich sehr schnell in Luft auflöst, wenn man Richtung Berge blickt.
Es war ein viel zu kurzer Ausflug in das schöne Tajikistan, doch uns läuft die Zeit davon und wir sind wohl auch etwas zu erschöpft und müde für die Berge.

Es geht wieder zurück nach Usbekistan, über dieselbe Grenze, dieselbe verkehrsreiche Straße nach Samarkand, in dasselbe gemütliche Gästehaus am Bahnhof, bevor wir uns wieder auf neue Wege begeben – auf die alte Seidenstraße.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Karen Schröder

    Liebe Radler!
    Toll, dass sich euer Abstecher ins Pamirgebirge gelohnt hat. Das Heidiland dort sieht wirklich gigantisch aus, die türkise Farbe des des ist Klasse!
    Am meisten freut mich, dass ihr gastfreundlich aufgenommen werdet und keine bedrohlichen Szenen erlebt wie im Blog zuvor geschildert. Dass eure Muskeln stark beansprucht werden, kann ich mir vorstellen…. Kochende Männer scheinen dort nicht vorzukommen…. Gute Besserung für eure Mägen und weiterhin schöne Eindrücke wünschen euch Renate und Karen 😎😎🎃🎃

  2. Susanne Dreger

    Liebe Reisende,
    wie wunderbar liest sich der Bericht eures Abstechers ins Pamirgebirge zu den warmherzigen Menschen. All die Mühsal mit angespannten Verdauungstrakt und stark geforderten Waden war es sicher wert.
    Seid ganz lieb gegrüßt von Susanne