Wir sind wieder zurück in Kambodscha und diesmal haben wir etwas mehr Elan uns auf das einzulassen, was uns hier erwartet. Wir tauchen ein wenig ein in das Leben der Khmer und lernen vor allem die staubigen, roten Pisten kennen, die man hier auch gern als Highway bezeichnet. Wir befinden uns nicht nur sprichwörtlich da, wo der Pfeffer wächst.
Bevor wir so richtig in Kambodscha ankommen können, steht mal wieder einer dieser Grenzübergänge bevor. Mittlerweile sind wir, was das angeht, ziemlich abgeklärt und unaufgeregt.
Als wir das Grenzgebäude betreten und die Gruppe Touristen am Schalter erspähen, erkennen wir schon allein an der bloßen Mimik und Gestik die Intention. Die Zeiten haben sich allerdings geändert. Die Digitalisierung ist an dieser Stelle eine gute Stellschraube gegen die Korruption. Alle Preise sind online hinterlegt, wir müssen sie dem Beamten nur noch mit dem Smartphone präsentieren. Natürlich verlangt der edle Herr auch bei uns eine um fünf Dollar erhöhte Gebühr, da wir nicht an einem Flughafen einreisen. Ganz unbeeindruckt wischen wir übers Smartphone und präsentieren ihm den Screenshot, auf dem der hiesige Grenzpunkt mit den entsprechenden Visagebühren hinterlegt ist. Mürrisch nimmt er die Pässe entgegen und tackert die Visa hinein.
Ja, tatsächlich wird das Visum in Kambodscha in den Pass getackert und bei der Ausreise eben einfach wieder herausgerissen. Doch durch sind wir mit der ganzen Sache leider noch nicht. Der Zettel in unserem Pass benötigt noch einen Stempel. Die Beamten hier versprühen gute Laune. Wir sind wieder direkt hinter der Gruppe. Als der Erste die beiden Schalter passiert hat, wird er von einer Beamtin in einen Raum geführt. Kurze Zeit später kommt er heraus und ruft ihr zu, dass er nichts bezahlen muss. Nun ja, hier benötigt es nicht einmal mehr die Digitalisierung, denn über der Tür und an allen Schaltern hängen Schilder mit „Nothing to pay here!“ Trotzdem versucht es die Beamte bei der nächsten und übernächsten Person aus der Gruppe nochmal. Als wir dann an der Reihe sind, hat sie es bereits aufgegeben …
Die ersten Kilometer gleiten wir mit Rückenwind über den glatten Asphalt der leeren Straßen. Wir passieren die Stadt Kep, die uns allerdings eher wie eine Geisterstadt vorkommt. Vielleicht haben wir uns aber auch einfach an den vietnamesischen Trubel gewöhnt und müssen nun die Bezeichnung „Stadt“ erstmal wieder neu ausloten.
Hinter Kep biegen wir auf den großen Highway nach Kampot ab, der deutlich gefüllter und in einem miserablen Zustand ist. Staub wird von den vorbeirasenden LKW aufgewirbelt, was das Ausweichen vor Schlaglöchern verkompliziert. Wir biegen schon bald wieder ab, auf eine typisch rote Piste. Der Staub ist immer noch da, doch diesmal wird er lediglich von vorbeituckernden Mopeds aufgewirbelt.
Wir genießen das Radeln in der Abendsonne. Unter den Stelzenhäusern versammeln sich hier und da ein paar Leute, die uns freudig zuwinken und den Abend genauso genießen wie wir. Es ertönt lautere Musik, Kinder spielen und winken uns voller Euphorie oder werfen uns direkt Luftküsschen zu. Auch die riesigen, zumeist weißen, indischen Rinder sind zurück und stehen, wie schon bei unserem letzten Besuch in Kambodscha, des Öfteren herum.
Unser Zelt stellen wir heute auf einem wunderschönen, entspannten Campingplatz an einem kleinen See auf. Der Wind macht es angenehm und wir genießen den Abend ohne Karaoke Beschallung.
Wo wächst eigentlich der Pfeffer? Eine Frage, die wohl dem einen oder der anderen durch den Kopf schwirren mag. Wir haben die Kügelchen zwar schon ab und an in Vietnam zum Trocknen auf den Straßen liegen sehen, aber als Pflanze?
Nunja, wir befinden uns gerade in einem der berühmtesten Pfefferanbaugebiete der Welt. Wenn man den hiesigen Aussagen glaubt, dann ist es sogar der beste Pfeffer der Welt, den die Gourmet-Küche nicht missen mag. Wir sind noch etwas skeptisch, sind wir doch schon oft „dem besten“ auf unsere Reise begegnet. Allerdings haben all die zahlreichen Gerichte, die wir in diesen Tagen verköstigen, einen gewissen Geschmack, der sie zu etwas besonderem macht. Vielleicht ist es doch der berühmt-berüchtigte Kampot-Pfeffer?
Wir besichtigen eine Pfefferplantage und können auf dem Rundgang ein paar interessante Infos aufschnappen. Der „Kampot-Pfeffer“ ist eine geschütze Herkunftsbezeichnung, dessen Anbau einigen Auflagen unterliegt. So darf beispielsweise nur mit natürlichen Mitteln gedüngt und gegen Schädlinge vorgegangen werden. Es wird sogar seit einigen Jahren vorgeschrieben, dass Neupflanzen nur noch an Holzpfählen und nicht an den typischen Backsteintürmen angepflanzt werden dürfen.
Doch was hat es eigentlich mit dem Schwarzen, Roten, Grünen oder gar dem Weißen Pfeffer auf sich? Es ist alles ein und dieselbe Pflanze, in diesem Fall die piper nigrum. Einmal im Jahr ist Erntezeit und dann haben die Mitarbeiter *innen und Erntehelfer*innen alle Hände voll zu tun und das im wörtlichen Sinne, denn die Ernte der kleinen Pfefferbeeren ist hier mühevolle Handarbeit.
Der Pfefferstrauch hat bei der Ernte meist grüne und rote Beeren. Aus den unreifen, grünen Pfefferbeeren wird in der Regel durch Trocknung in der Sonne Schwarzer Pfeffer gewonnen. Durch eine schnelle Trocknung unter höheren Temperaturen, kann man auch die grüne Farbe erhalten, da der Fermentierungsprozess nicht einsetzt. Selbst unverarbeitet kann die grüne Pfefferbeere innerhalb weniger Tage verwendet werden. Wir haben schon oft einen Strauch Grünen Pfeffer auf unseren Tellern im Essen liegen gehabt. Der Rote Pfeffer, das sind jene Beeren eines Strauches, die die volle Reife erreicht haben. Bleibt zuletzt der Weiße Pfeffer, welcher aus der roten Beere gewonnen wird, indem diese geschält wird.
Der Geschmack des Pfeffers hängt stark von den ihn umgebenden Bedingungen ab. Insbesondere das feucht-heiße Klima und die nährstoffreichen Lehmböden, eben diese rot-braunen Böden, machen ihn zu dem, was er ist – zu etwas Besonderem!
Die Anfänge des Pfefferanbaus gehen auf das 13 Jh. zurück. Allerdings musste es in den 90er Jahren zur Rekultivierung des Pfefferanbaus kommen, da während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer nahezu jeglicher Anbau zerstört wurde.
Die Roten wer? Ja, wir wussten auch nichts darüber, bis wir uns etwas mit der Geschichte des Landes beschäftigt haben. Die Roten Khmer erstarkten aus den Geschehnissen um den Indochinakrieg und erlangten schließlich mit Pol Pot die Macht. Das Ziel der kommunistisch-nationalen Bewegung war die totale Transformierung des Landes in einen Bauernstaat. Gebildete und Intellektuelle wurden systematisch deportiert. Dabei reichte es wohl z.B. eine Brille zu tragen, um diesen Status zu erreichen. Bewohner*innen ganzer Städte wurden innerhalb weniger Tage aufs Land gebracht, um auf den Reisfeldern zu arbeiten. Für viele war es der letzte Weg, den sie in ihrem Leben antraten. Ein Genozid, von dem wir noch nie etwas gehört haben, bis jetzt!
Die Stadt Kampot ist für uns eine skurrile Geschichte, wir fühlen uns einfach nicht wohl und empfinden die ganze Stimmung irgendwie als komisch. Es scheint, als sei es ein Ort für Aussteiger einer älteren Genration gepaart mit unzähligen Tourist*innen. Dazu eine typisch westliche, kulinarische Auswahl. Die älteren Männer aus der westlichen Hemisphäre haben oft eine junge, kambodschanische Frau an ihrer Seite und wenn man hier so durch die Straßen schaut, dann hat das Übergewicht die Unterernährung bereits abgelöst.
Vielleicht hätten wir zu einem anderen Zeitpunkt die Vorzüge Kampots mehr genießen können, aber jetzt sind wir in Abenteuerlaune, wollen in die kambodschanische Kultur eintauchen und so sind wir wohl einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Wir entfliehen dem Blues der Stadt und lassen uns lieber für ein paar Tage auf einem Camping im Norden der Stadt nieder.
Wir strampeln den Highway 3 aus der Stadt hinaus. Leichter Rückenwind lässt uns auf der gut asphaltierten Straße mit Seitenstreifen nur so fliegen. Doch wir wissen, von Erzählungen, was uns auf dem zweiten Teil der Strecke von Kampot nach Prey Nob erwartet. Zum ersten Mal auf unserer Reise stülpen wir uns freiwillig eine Maske beim Radeln über. Der Highway verwandelt sich in eine staubige Buckelpiste. Wenn die LKW an uns vorbei tuckern, machen sie das glücklicherweise sehr gemächlich, aber was anderes gibt der Untergrund auch nicht her. Trotzdem versinken wir immer wieder in einer dichten Staubwolke. Manchmal sind die LKW dabei sogar so langsam, dass wir zum Überholmanöver ansetzen müssen.
Nach ca. 25 Kilometern auf der Piste erreichen wir am Abend völlig verstaubt, dreckig und erschöpft Prey Nob. Wir nehmen das erste Gästehaus, was wir finden und haben schon halb vergessen, dass es da ja auch manchmal diese Sprachbarriere gibt…
Der erste Punkt lässt sich noch recht einfach klären. Dass wir in dem Gästehaus einen Platz zum Schlafen wollen, scheint offensichtlich. Doch welche Art des Zimmers wir wollen, bedarf schon etwas mehr Zeit. Wir wollen kein Zimmer mit Klimaanlage, weshalb wir dies erst pantomimisch und dann einer Person am Telefon erklären, die lediglich gebrochen Englisch spricht. Nach dem auch dieser Punkt geklärt ist, schaut die Omi in ihrem großen Buch nach, welches Zimmer denn noch frei ist, woraufhin sie in einem vollen Korb nach dem richtigen Schlüssel wühlt. Sie erklärt uns irgendwie, dass es das letzte freie Zimmer sei. Wir blicken uns um und fragen uns nur, was sie wohl meint, da das Gebäude ziemlich leer wirkt.
In Kambodscha kann man neben Riel auch mit US-Dollar zahlen. Es wirkt etwas suspekt, aber vor allem im städtischen Raum ist der Dollar omnipräsent. Wenn man sich die Riel anschaut, können wir das nur nachvollziehen. Es sind für uns die unübersichtlichsten Banknoten der Reise. Die Farben der unterschiedlichen Noten sind sich sehr ähnlich und dazu gibt es nur eine Ecke je Schein, auf dem der Wert mit den vielen Nullen, in arabischen Ziffern steht. Wir schieben der Hausherrin also einen 10- Dollar Schein rüber und damit ist die Nacht bezahlt.
Nachdem wir unsere Taschen im Zimmer verstaut haben, wollen wir unsere Räder irgendwo anschließen. Wir bekommen pantomimische Zeichen, dass dies hier nicht geht. Es dauert etwas und dann führt uns die Omi in eine kleine Lagerhalle neben dem Gästehaus. Während sie wieder jemanden anruft, der uns erzählt, dass dieser Platz besser für die Räder sei, schaufeln wir uns etwas Platz zwischen Cola-Dosen und Wasserflaschen frei.
Kaum aufgelegt, hat sie schon wieder das Telefon in der Hand. Es ist vermutlich ihre Tochter, die wir kurz darauf am Ohr haben. Sie fragt, ob wir etwas essen wollen. „Was gibt es denn?“, fragen wir. Es kommt irgendein Gericht, was wir nicht kennen. „Was noch?“ Noch etwas, was wir nicht kennen. „Was ist mit fried rice?“ sprechen wir ins Smartphone mit schlechtem Empfang. Wir deuten die Antwort als ja.
Also setzen wir uns wenig später, immer noch in unseren verdreckten Radklamotten, an einen der Tische und beobachten das Treiben. Das Gästehaus ist mittlerweile voll bis unters Dach. Wir versuchen fried rice zu bestellen und ernten nur fragende Blicke. Wir tippen etwas in googli, was dazu führt, dass Frauen aus der Küche uns fried rice vom Lieferservice bestellen wollen. Warum das denn jetzt?
Irgendwie drehen wir das Gespräch und am Ende machen sie uns etwas, einen Topf rice und fried ist dabei nur das Omelett. Wir essen also unseren trockenen rice, während wir den Frauen in der offenen Außenküche zuschauen, wie sie frisches Gemüse hacken und sich die leckersten Gerüche von gebratenem Knoblauch bis hin zu anderen Gewürzen in der Luft verteilen.
Irgendwann kommt eine Frau, die glücklicherweise tatsächlich Englisch spricht. Wir fragen, was man denn hier bestellen kann. Sie antwortet mit einem Lächeln, „Sea Food!“ Was wir auch direkt an die lachenden Frauen in der Küche weitergeben. Es ist überaus köstlich und unsere Gaumen schmecken da auch die feine Note des berüchtigten Pfeffers heraus.
Ansonsten genießen wir das Campen im Freien, auch wenn unsere Isomatten gerade nicht mehr zum wohltuenden Schlaf beitragen. Die eine hat ein winziges Loch, was wir auch nach einer Behandlung mit Seifenlauge nicht finden können. Also muss die gut zehn Jahre alte Matte ab jetzt mehrmals in der Nacht aufgepustet werden. Bei der anderen Matte hat sich die obere Schicht teilweise abgelöst, so dass beim Aufblasen eine ca. fünf Zentimeter hohe, unangenehme Beule zwischen Kopf und Brust entsteht, die sich von Nacht zu Nacht vergrößert.
Bangkok ist zum Glück nicht mehr allzu weit. Wir hoffen, dass wir das Problem dort irgendwie lösen können. Bis dahin heißt es im wahrsten Sinne des Wortes, Augen zu und durch!
Aus der abenteuerlichen Staubpiste wird eine asphaltierte Straße mit viel zu viel Verkehr. Umgeben von Kokosplantagen und jede Menge LKW zieht sich die Strecke wie Kaugummi. Wir halten uns mit der Aussicht auf die nächste Pause bei Laune. Etwa um die Mittagszeit beginnen wir stets mit der Suche nach „Töpfen“. Die einfachen Restaurants am Straßenrand liefern immer eine verlässliche Nahrungsquelle. Zunächst heißt es dann alle Töpfe durchschauen und das Inhaltsgeheimnis lüften. Wenig später steht dann auch schon der Topf Reis, der Tee mit Eiswürfeln und das gewählte Gericht auf dem Tisch. Das große Futtern kann beginnen. Zurück in den Sätteln steigt dann schon bald die Vorfreude auf die nächste Pause, unsere tägliche Kokosnuss.
Heute biegen wir irgendwann auf eine kleine Schotterpiste ab, um einen Schlafplatz zu finden. Leider ist das Flussufer nicht so leicht zugänglich und häufig als Privatgelände abgezäunt. Wir fragen bei einem Homestay nach, ob wir unser Zelt aufstellen dürfen. Allerdings ist uns der Preis zu hoch. Wir suchen weiter. Letztlich landen wir auf einem Bootssteg bei einer netten Familie, die zwar auch irgendeine Art des Campings anbietet, aber was genau, dass konnten wir aufgrund der Sprachbarriere nicht herausbekommen.
Wir leben in einer digitalen Welt und das, wie sollte es anders sein, beeinflusst natürlich auch das Reisen. Einerseits nimmt dies etwas die Spontanität, andererseits findet man dadurch aber auch wunderbare Dinge, die man sonst vielleicht nicht gefunden hätte. Wir nutzen zum Beispiel die App iOverlander, bei der Reisende schöne Plätze zum Campen hinterlegen können. Einer dieser Einträge führt uns nun zu einer kleinen Farm in der Nähe von Botum Sakor.
Als wir am späten Nachmittag über eine klapprige Brücke zu der Farm rollen, sitzt Kenny gerade unter einem Bambusunterstand und unterrichtet einem Jungen aus dem Dorf Englisch. Wir begrüßen ihn und fragen, ob wir heute Nacht unser Zelt hier aufstellen können. Er erwidert mit einem herzlichen Lächeln und leuchtenden Augen, dass er noch den Unterricht beendet und wir es uns dann hier gemütlich machen können. In der Zwischenzeit sollen wir uns einfach die Farm anschauen. Danach bauen wir unser Zelt in der Bambushütte mit Ventilator, Licht und Steckdose auf. Was für ein Luxus. Wenig später bringt Kenny uns auch noch frische Eier von der Farm fürs Frühstück vorbei.
Am nächsten Morgen sitzen wir dann neben unseren bereits gepackten Rädern mit Kenny und seiner Familie auf ihrer Terrasse und schlürfen einen köstlichen Cappuccino. Kenny bietet uns an, dass wir doch noch einen Tag länger bleiben können. Warum eigentlich nicht? Also bleiben wir einfach noch etwas länger sitzen, genießen die kühle Morgenluft am kleinen Wasserlauf und lauschen Kenny`s Geschichte.
Kenny ist während des Indochinakrieges in den 60ern geboren und aufgewachsen. Er erzählt uns, dass seine Eltern nur einen Ausweg für ihn sahen und ihn deshalb – in der Hoffnung, dass ihm die Flucht nach Thailand gelingt- allein weggeschickt haben. Im Alter von sieben Jahren fand sich Kenny mit einer Gruppe Flüchtender an der kambodschanisch-thailändischen Grenze wieder. Die Gruppe wurde an der Grenze von Soldaten aufgegriffen und abgewiesen, sie sollten zurück gehen. Zurück durch einen verminten Wald, dessen sicheren Weg hindurch nur ihr Schlepper kannte. Der befand sich allerdings schon längst nicht mehr bei ihnen.
Was blieb ihnen übrig? Sie blieben da. Mehrere Tage! Mehrere Tage ohne Essen! Mehrere Tage ohne Wasser! Mehrere Tage ohne Zuversicht!
Die Gruppe wird erneut von Soldaten aufgegriffen. Kenny beschreibt die nächsten Momente als das große Wunder seines Lebens. Ein amerikanischer Soldat zeigte genau auf ihn, woraufhin er als einziger aus der Gruppe von ihm mit über die Grenze genommen wurde. Dieser Soldat sollte sein späterer Adoptivvater werden. Kenny wird den Rest seiner Kindheit, Jugend und auch lange darüber hinaus in den USA aufwachsen und leben. Er findet sich am anderen Ende des Globus wieder und taucht ein in eine so konträre Welt. Den Moment, als er in seinem neuen Zuhause aufwachte, die Tür öffnete und einen riesigen Pool vor sich sah, wird er wohl nie vergessen. Dazu kamen später Privatschule, Chauffeur und alles, was zum amerikanischen Traum wohl dazu gehört. Trotzdem wird der „Dschungel-Boy,“ wie sie ihn in seiner neuen Heimat nannten, nie vergessen, wo er herkommt und was für ein Geschenk das Schicksal für ihn bereithielt.
Erst sehr viel später in seinem Leben ist er als Backpacker nach Kambodscha zurückgekehrt. Später dann immer wieder, um seinen Wurzeln nachzugehen. Seine Eltern konnte er dabei leider nicht mehr finden, aber vielleicht hat er hier einen Ort gefunden, der ihn wirklich glücklich macht. Gemeinsam mit seinem Freund Vong entstand vor ein paar Jahren die Idee, eine Farm zu gründen, von der sie nicht nur sich selbst und ihre Familie versorgen können, sondern auch Arbeitsplätze für die Dorfgemeinschaft entstehen und damit die Lebensqualität für einige Menschen erhöht wird.
Bereits zum Mittagessen kommen wir in den Genuss, einige frisch zubereitete Khmer Köstlichkeiten, wie z.B. Lok Lak oder mit Knoblauch angebratenen Wasserspinat ganz frisch vom Feld, zu verköstigen. Auch die typische Khmer Dip Sauce bestehend aus Kampot-Pfeffer, Salz und frischem Limettensaft sowie der obligatorische Reis dürfen natürlich nicht fehlen. Das ist allerdings erst der Anfang unseres heutigen, kulinarischen Verwöhnprogramms. Bereits am Vormittag wurde schon eine Ente für uns geschlachtet, die nun mit einer speziellen Sauce gefüllt in der Küche hängt und auf die weitere Zubereitung wartet.
Heute ist Samstag und damit auch Wochenende auf der Farm. Nach dem Mittag belädt Kenny auch schon das Auto und im Handumdrehen sitzen wir mit der Familie auf den Sitzen und sind unterwegs ans Meer. Wir schlürfen eine Kokosnuss am Strand, der sich unmittelbar vor King Island befindet. Kenny und seine Familie kommen hier des Öfteren mal fürs Wochenende oder einen kleinen Kurzurlaub her, um die Seele baumeln zu lassen. Dadurch kennen sie auch den einen oder die andere Person. Kurz vor unserer Abfahrt bekommen sie von einer netten Einheimischen ein gelbes, isoliertes Paket gefüllt mit Eiswürfeln und Seafood überreicht, was für den Rückweg im Kofferraum landet. Darin befinden sich frische Austern und Garnelen, die sie extra vorher für das heutige Abendessen bestellt haben.
Zurück auf der Farm beginnt dann das große Schlemmen. Die Ente wird in einen traditionellen Steinkrug gehangen und auf Holzkohle, wie in einer Art Ofen, zubereitet. Zum Abendessen finden wir uns dann an einem reichlich gedeckten Tisch wieder und können unser Glück kaum fassen. Es landen, wie wir es bereits auch aus Vietnam kennen, alle Köstlichkeiten auf dem Tisch und jeder kann sich daran bedienen. Es wird alles durcheinandergegessen, egal ob Ente, Auster oder Garnele. Wer trinken möchte, stößt traditionell vorher jedes Mal mit den anderen an. Ein echtes, kambodschanisches Festmahl!
Wir fallen satt, zufrieden und absolut beseelt von dieser überragenden Gastfreundschaft ins Bett! Uns klingen nur noch Kennys Worte vom Mittagessen in den Ohren, dass man in Kambodscha zur Familie gehört, sobald man zum Essen eingeladen wurde, und genauso fühlten wir uns heute den ganzen Tag. Als Bestandteil der Familie.
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns dann nun aber wirklich schweren Herzens von unserer kambodschanischen Familie. Wir werden noch mit frischen Eiern versorgt und starten maximal entspannt in die bevorstehende Bergetappe durch die Cardamom Mountains.
Die Bergkette im Südwesten Kambodschas gilt als eines der größten und noch unberührtesten Dschungelgebiete Südostasiens. Die Straße ist zunächst in einem guten Zustand, sodass wir ganz gut vorankommen. Es ist herrlich dem Regenwald, der die Straße umgibt, in der Morgenstimmung zu lauschen.
Plötzlich entdecken wir menschenähnliche Gestalten in den Baumwipfeln. Wir trauen unseren Augen zunächst kaum. Doch dann schwingen sich die Menschenaffen auch schon an ihren langen Armen akrobatisch hangelnd durch die Baumkrone, um sich vor uns zu verstecken. Wir haben tatsächlich Gibbons in freier Wildbahn entdeckt. Wir können unser Glück kaum fassen!
Später häufen sich allerdings die Baustellen auf unserer Strecke! Die prasselnde Sonne von oben und der aufgewirbelte Staub von unten werden auch hier zu unseren ständigen Begleitern. Die Geräusche vom Vormittag weichen dem Lärm von Baufahrzeugen, LKW und Motorrädern. Der rote Staub ist überall und er bedeckt die erste Baumreihe neben der Straße mit einer dicken Schicht, der Wald hat seine Frische verloren.
Am frühen Abend erreichen wir nach einer kräftezehrenden, 75 km langen Bergetappe den Tatai-River. Unser Plan war, dass wir hier einen Platz für das Zelt suchen. Wir fragen, wie üblich, an einem kleinen Restaurant, doch wir spüren direkt, die Grundstimmung ist hier eine andere. Die vielen Reisebusse mögen ein Zeichen dafür sein.
Genervt schaut eine Frau von ihrem Smartphone hoch. Als wir fragen, ob wir hier irgendwo unser Zelt aufschlagen dürfen, wendet sie sich an eine noch unangenehmere Person. Die alte, grimmige Frau nörgelt etwas von 10 Dollar herüber. Wir fahren auf die andere Seite. Als wir hier fragen, wird genau dieselbe unfreundliche Frau nach dem Preis gefragt. Wir verlassen den Fluss und versuchen unser Glück an einem anderen Gästehaus. Wir sehen einige leere Bungalows und sehr viel Grünfläche für unser Zelt. Doch der Besitzer schickt lediglich seine Tochter raus, um uns zu sagen, dass es nichts gibt. Auch als wir nach einem Platz zum Zelten fragen, muss seine Tochter als Botin hin und her laufen. Wir sind genervt. Vielleicht, weil wir uns so an die Gastfreundschaft gewöhnt haben.
Eine Chance haben wir noch, laut googli gibt es noch ein bezahlbares Hotel in der kleinen Siedlung, die ansonsten aus teuren und ausgestorbenen Resorts besteht. Als wir an dem Hotel fragen, ob wir unser Zelt im Garten aufstellen dürfen, bekommen wir eine bejahende Geste. Wir fragen nach dem Preis und verstehen natürlich nicht, was die junge Frau ihre Chefin fragt, aber manchmal kann man eben auch Dinge deuten. Wir deuten die Situation zumindest so: Die Chefin sagt ihr einen Preis, dann mischt sich auf einmal eine andere Frau ein, welche zuvor neben der grummeligen Frau am Fluss stand. Daraufhin entsteht eine kleine Diskussion und am Ende bekommen wir den Preis genannt: 10 Dollar! Wer hätte es gedacht! Das ist übrigens auch schon fast der Preis für ein Zimmer. Wir sind richtig genervt! Es ist kurz vor sechs, bald geht die Sonne unter und das war unsere letzte Möglichkeit in dieser Siedlung. Ein wenig stur setzen wir uns auf die Räder, ganz nach dem Motto, lieber quälen wir uns weiter als hier zu bleiben. Das bedeutet 20 Kilometer über eine weitere Bergkette.
Als wir Koh Kong erreichen, ist es stockdunkel und wir sind einfach nur fertig! Wir genießen die Dusche und schauen dem abfließenden, roten Wasser zu. Ein letztes Mal den rot-braunen, kambodschanischen Staub von der Haut waschen.
Mit Koh Kong haben wir auch schon die Grenzstadt erreicht. Am Ende war es wieder eine recht kurze Etappe durch Kambodscha und wir haben uns bewusst gegen die weltberühmten Angkor Wat Tempel entschieden, um uns nicht direkt wieder mit zu vielen Eindrücken zu überfluten. Am Ende sind es auch nur irgendwelche Tempel.
Wir rollen zur Grenze und diesmal ist es mehr als entspannt. Stempel hier, Stempel da und keine 20 Minuten später sind wir auf der anderen Seite, in Thailand.
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Liebe, tapfere Radler! Wenn man die rötlichen Straßen so sieht, könnten die roten Khmer auch deshalb so heißen. Nein, Spaß beiseite: ich wusste nicht, dass intellektuell anmutende Personen bei den Kommunisten so extrem gelitten haben, anscheinend oft bis zum Tode….Dass der Massentourismus den Charakter verdirbt, habt ihr ja durch die 10-Dollar-Standardantwort gemerkt. Ob wir anders reagieren würden an deren Stelle? Alles Gute in Thailand wünschen euch Renate und Karen aus Kiel ☀️👋👍
Liebe Weltenbummler,
was ihr euch da so manchmal antut ist krass. Hoffentlich könnt ihr euch recht schnell neue Isomatten besorgen, damit die Nächte entspannter werden. In Thailand wird es bestimmt besser. Das wünschen wir euch.
Heute am Strand haben wir Jaqueline und Bernd von Kiel kennengelernt. Sie ist Tierärztin in Ruhe.
HAPPY BIRTHDAY
Liebe Grüße von Carola