Was macht es so besonders, so anders in der Ferne zu radeln. Sind doch die Straßen auch nur aus Teer und die Pisten aus Schotter. Vielleicht sind es die vielen bunten, alten Autos, welche uns wie aus einer anderen Zeit vorkommen und die hier täglich mit ihren herzlichen Menschen hupend und freundlich grüßend um uns herumtanzen. Doch bevor es soweit ist, sagen wir Georgien noch auf Wiedersehen.

Viel Spaß beim Lesen!

Nach unserem Sonnenstich liegen wir einige Tage flach und können das nun grünende Tbilisi nicht wirklich genießen. Viel mehr holen sich unsere Körper wohl eine Pause ab. Aber vielleicht ist es auch die Aufregung in uns, über das was vor uns liegt. Wenn wir auf die Karte bezüglich unserer Weiterreise schauen, steckt da schon einiges an Aufregung mit drin, sei es Armenien und die Teilreisewarnung vom Auswärtigen Amt bezüglich des Konfliktes um Bergkachabach oder die völlig andere Kultur, die uns im Iran erwartet.

Wir nutzen die Zeit in Tbilisi um uns um lästige Visaangelegenheiten zu kümmern, wobei das Iran Visa hier weniger Probleme bereitet als das Bezahlen der Gebühr. Dafür muss man nämlich Kunde einer georgischen Bank, der TBC, sein. Diese Mitgliedschaft kostet natürlich Gebühren und es dauert einen halben Tag, jedenfalls bei uns. Denn der Zufall will es so und wir treffen in der Bankfiliale wieder auf Lennart, der gerade auch das Prozedere durchläuft wie wir. Seine Beraterin am Nachbartisch ist wohl einfach etwas zackiger und er kann nach einer Stunde zurück zur Botschaft. Als wir die Gebühr an die iranische Botschaft endlich überweisen können, ist diese längst geschlossen und das Wochenende steht vor der Tür. 

Außerdem versuchen wir mal wieder etwas Gewicht zu reduzieren und schicken ein immerhin vier Kilo schweres Paket zurück und bekommen dafür ein Neues von zu Hause. Darin sind unter anderem neue Reifen, denn auf die guten Schwalbereifen wollen wir einfach nicht mehr verzichten. Unsere alten sind zwar noch OK und wir hatten lediglich zwei Platten auf der gesamten Reise, doch langsam sind die Abnutzungen zu spüren und endlos halten werden die Reifen ja auch nicht.

Einen schönen Abend hatten wir dann aber doch noch während unseres Aufenthaltes der sonst eher administrativen Art. Chica hat uns zu ihrer Vorführung eingeladen und so kommen wir in den Genuss eines freien Theathers in Tbilisi. Passend für uns, die die Sprache nicht wirklich verstehen, kommt das Movement Theater ohne ein einziges Wort aus.

Wir verlassen Tbilisi auf einer Straße, die irgendwann auf einer Autobahn endet, zum Glück mit Fußweg. Doch irgendwann kommt unser Abzweig und ab jetzt gibt es nicht mal mehr einen Seitenstreifen. In den unübersichtlichen Kurven schieben wir die Räder durch die Büsche um uns vor den rasenden Autos zu schützen. Die Straße wird zu einer normalen Bundesstraße, wobei der Verkehr alles andere als „normal“ ist.
Wir haben schon viele unschöne Dinge über den georgischen Verkehr gehört und wir sind unglaublich froh, dass wir diesem bis auf die letzten Tage ziemlich gut aus dem Weg fahren konnten. Dieses rücksichtslose Verhalten kann einem nämlich durchaus jeden Spaß am Radeln nehmen. Trotz Gegenverkehr wird mit hoher Geschwindigkeit überholt und uns bleibt da nur noch die abrupte Flucht in den Schotter oder ins Gras. Bremsen scheinen hier nicht zu existieren. Wenn dann am Straßenrand noch die Hunde durchdrehen wird es ganz wild. Die Tatsache, dass in Georgien das Lenkrad mal auf der linken mal auf der rechten Seite ist und wir am Ende erst auf den zweiten Gedanken wissen, wo es denn bei Rechtsverkehr eigentlich sein sollte, zeigt vielleicht die chaotischen Bedingungen.
Einzig und allein die Landschaft um uns herum und ein letztes Mal leckerstes Badrijani schaffen es unser Gemüt an diesem Tag zu erheitern. Am Ende kann man nur sagen, dass es den Abschied um einiges leichter macht und wir die Grenze herbeisehnen.

Doch bevor es so weit ist, können wir unsere Türkischkenntnisse noch einmal herausholen. Wir durchqueren die mehrheitlich muslimisch geprägte Region Kwemo Kartli, in der viele Aseris leben, die oft weder Russisch noch Georgisch sprechen. Sogar den Muezzin hören wir am Abend und sofort sind wir mit den Gedanken wieder in der Türkei.

Insgesamt sind wir in Georgien 840 km geradelt und haben dabei ca. 9.000 Höhenmeter überwunden. Es war nicht nur eine Reise durch die verschiedenen Jahreszeiten, sondern vor allem eine Reise durch wahnsinnig schöne Natur. Aber wie in jedem Land haben vor allem die Begegnungen mit den Menschen, die alle auf ihre ganz eigene Weise ein Stück von ihrer Kultur und ihrem Leben mit uns geteilt haben, den Besuch in Georgien für uns zu einem ganz besonderen gemacht, der uns Erinnerung bleiben wird.

Der Grenzübertritt ist unkompliziert. Hinter der Grenze bekommen wir direkt eine Sim Karte und es kann weiter gehen. Trotzdem ist so ein Grenzübertritt auch immer wieder aufregend. Doch als wir fragen, wie man sich auf Armenisch bedankt entfährt dem Grenzpolizisten ein herzliches Lachen und er sagt uns den Zungenbrecher – Շնորհակալություն – schnorrhakalutsjun – auf. Als wir ihn versuchen zu wiederholen, müssen selbst seine Kollegen etwas schmunzeln.

Բարեվ  Հայաստան

– barheev Hayastan – Hallo Armenien –

Man möchte ja nicht in nationales Denken verfallen aber schon nach wenigen Metern in Armenien sind so einige Veränderungen doch sofort spürbar und trotzdem ist irgendwie alles wie immer.
Es ist schon verrückt wie eine Grenze die Mentalität der Menschen so verändert. Wir spüren dies direkt an den bremsenden Autos, die mit Abstand in verringertem Tempo überholen, allerdings auch nur wenn die Straße frei ist, sonst fahren sie entspannt hinter uns her. Aber das Suspekteste daran ist, dass die Hunde auf einmal entspannt sind. Keine wilden, kaum zu bremsenden, aggressiv bellenden Hunden mehr! Es ist einfach verrückt!
Auch in Armenien begrüßt uns ein völlig neue Schrift, die wir in keinster Weise entziffern können. Außerdem sind die Menschen auch wieder so herzlich, wenn sie uns winkend mit einem Lächeln im Gesicht zurufen, während wir an ihnen vorbei radeln.

Der Debed, dem wir flussaufwärts folgen, ist ziemlich prall mit wildem Wasser gefüllt. Schon bald finden wir uns in einer atemberaubenden Canyonlandschaft wieder, die wir wohl beide überhaupt nicht erwartet hätten. Links und rechts von uns ragen die Felsen nur so in schwindelerregende Höhe und wir kommen aus dem Staunen über die Berglandschaft nicht mehr raus. Nur zum Campen ist das Gelände nicht wirklich geeignet und so winden wir uns nach einem anstrengenden Tag mit stetigem Bergauf noch einige knackige Serpentinen nach oben zu einem Campingplatz. Aber das Schwitzen lohnt sich und wir finden nicht nur einen schönen Platz zum Schlafen, sondern nach einem weiteren steilen Aufstieg zu Fuß auch noch einen geöffneten Supermarkt zum Essen kaufen für unsere hungrigen Bäuche. Abgerechnet wird hier noch per Hand.

Am nächsten Tag beschließen wir, hier noch ein bisschen zu verweilen. Der Ausblick ist einfach zu schön, um weiter zu fahren. Außerdem ist ein sicherer Platz für unsere Sachen und Räder immer eine gute Gelegenheit, um die Gegend zu Fuß zu erkunden. Wenn wir mit den Rädern und unserem ganzen Gepäck unterwegs sind, lassen wir unser ganzes Hab und Gut immer ungern irgendwo unbeaufsichtigt stehen.
Wir wandern eine kleine Runde zum UNESCO Weltkulturerbe Kloster Haghpat aus dem 10. Jahrhundert. Die alten Gemäuer sind zwar sehenswert, aber die Einbettung des Klosters in die malerische Berglandschaft ist für uns viel beeindruckender.
Auf dem Weg bekommen wir von einem netten Mann, der gerade mit seinen Pferden unterwegs ist, eine Abkürzung durchs Dorf gezeigt. Als wir ihn später auf dem Berg wieder treffen, lässt er uns auch ein Stück des Weges zu Pferd zurücklegen.

Nach einem fünfminütigen Sepentinenabfahrtsvergnügen geht unsere Fahrt weiter auf der gut ausgebauten, breiten Hauptstraße durch die Region Lori Richtung Vanadazor. Schon nach ein paar Metern entdecken wir zwei andere bepackte Räder. Es ist doch tatsächlich das kolumbianische Pärchen, von dem uns unsere Radlerfreunde Fanny und Gaspert aus Belgien in der Türkei erzählt haben. Die Welt ist ein Dorf. Wir radeln ein Stück zusammen, bevor sich unsere Wege in Alaverdi wieder trennen, da die beiden schon bald zurück in Tbilisi sein müssen.

Wir strampeln immer weiter am Fluss entlang durch die Canyonlandschaft. Dabei fahren unzählige Ladas in den unterschiedlichsten Ausführungen, Altersklassen, Farben und mit Beladungen jeglicher Art an uns vorbei. Immer wieder wird wie wild gehupt und gewunken, wenn man uns entdeckt. Ein lustiger Opi bringt seinen Lada sogar ziemlich abrupt zum Stehen, weil er sich so sehr freut, dass wir in seinem Land reisen und als er von uns erfährt, dass wir aus Deutschland kommen, kramt er wie wild nach seinen Deutschkenntnissen wie z.B. „Komm an die Tafel!“.

Nach dieser lustigen Unterhaltung und einer innigen Umarmung rattert der Lada auch schon wieder davon. Auch wir müssen immer wieder anhalten, da die Aussichten einfach nur grandios sind und man sich gar nicht satt sehen kann an den wunderschönen Felsformationen. Hinter jeder Kurve wartet eine neue Landschaftsüberraschung auf uns. Die Höhenmeter merken wir dadurch kaum, denn schon allein dafür lohnt sich jeder Einzelne. Es ist schon verrückt, dass wir irgendwie überhaupt keine Vorstellungen von diesem Land im Kaukasus hatten. Aber vielleicht sind wir gerade deshalb nun so überwältigt von der abwechslungsreichen Bergwelt und den freundlichen, offenherzigen Menschen hier.

Mal wieder ist es schwierig einen geeigneten Platz für unsere Villa Sonnenschein zu finden. Nach erfolgloser Suche fragen wir mit googli an einem Gartenzaun, ob es okay ist auf der Wiese nebenan zu zelten. Die Frau bittet uns aber stattdessen zum Tor hinein. Doagh und ihr Mann, welcher uns wenig später mit „Guten Tag“ begrüßt und uns den Wasserschlauch mit Trinkwasser zeigt, kommen ursprünglich aus Jerewan und haben sich hier nun ein kleines Haus auf dem Land gekauft.
Nach dem Zeltaufbau hält ein armeegrüner Jeep vor dem Grundstück. Ein junger Soldat namens Aghas und sein Freund Aro kommen in den Garten. Aghas spricht gutes Englisch und so sitzen wir kurze Zeit später am mit Kaffee und Khachpuri gedeckten Gartentisch und unterhalten uns mit den beiden. Aghas sagt immer wieder, wie er sich freut uns hier zu treffen, ist sehr interessiert und bittet uns so viel wie möglich über Deutschland zu erzählen.

Es ist uns anfangs noch etwas suspekt hier mit einem uniformierten Mann am Tisch zu sitzen, doch in Armenien gehört die Präsenz des Militärs wohl genauso zur Tagesordnung wie die Angst vor einem Krieg. Einige Kilometer weiter sitzen wir dann mit dem nächsten Mann in Uniform am Tisch und trinken einen Tee, nachdem wir liebevoll von der Straße geordert wurden. Aussagen wie „Ich mache das für mein Land“ sind uns völlig fremd und wäre da nicht der Ukraine Krieg, hätten wir wohl auch nie über so etwas nachgedacht. Doch was für uns seit diesem Februar neu ist, gehört wohl leider für die Menschen im Transkaukasus zur „normal“ gewordenen Realität.
Der Konflikt um Bergkachabach gehört zu einem der ältesten der Weltgeschichte und es scheint leider nicht den Anschein zu machen, dass sich eine dauerhafte Lösung anbahnt.
Der derzeitige Frieden wird hier keineswegs als selbstverständlich gesehen. Wir erfahren leider auch oft, dass viele Menschen ihre geliebten Familienmitglieder oder Freunde durch den Krieg verloren haben.

Trotz dieser traurigen Umstände begegnen uns die Menschen hier größtenteils mit einer so heiteren, erfrischenden Herzlichkeit und Lebensfreude, was einfach nur ansteckend und überwältigend ist.

Unsere nächste Etappe führt uns nach Dilijan. Ab Vanadazor sitzt uns dabei eine graue Wolkendecke im Nacken, aber der Regen holt uns glücklicherweise erst kurz vorm Pass auf 1.900 m ein. Während der Abfahrt wird es dann so frisch, dass wir sogar nochmal tief in unseren Taschen die Handschuhe rauskramen müssen. Doch schon bald kommt die Sonne wieder raus und wir genießen die lange Abfahrt bis in die Stadt. Den nächsten Tag nutzen wir für eine Wanderung im Dilijan Nationalpark, welcher auch als die kleine, armenische Schweiz bekannt ist.

Da Dilijan auf etwa 1.200 m liegt haben wir bis zum Sevanpass noch einige Höhenmeter vor uns. Es geht die ganze Zeit bergauf, aber bevor die Serpentinen sich so richtig schlängeln, bekommen wir noch einen kleinen Kaffeeenegizer an einem Restaurant geschenkt. Besonders toll wirds dann auf der kleinen Umgehungsstraße, die uns vor dem Tunnel rettet. Diesmal bekommen wir Bonbons aus einem Jeep und strampeln dann Kurve für Kurve bei Steigungen zwischen vier und sechs Prozent bergauf. Über uns kreisen die Adler und wir passieren das muckelige Dorf Semyonovka, bevor wir den Pass auf 2114 m erreichen. Am liebsten wollen wir gleich hier zelten, aber uns fehlt noch Wasser. Wir radeln also ein Stück bergab, finden einen Brunnen, strampeln wieder hoch und genießen den Blick über die Berge und den Sevan See. Die Nacht wird frostig, aber zum Glück haben wir nur eine Wärmflasche nach Hause geschickt.  

Auf dem Weg zum Sevan See sehen wir immer wieder Menschen in den Wiesen etwas ernten. Später erfahren wir, dass frische (Wild)Kräuter ein wichtiger Bestandteil der armenischen Küche sind. Um diese dann zu konservieren werden sie oft sauer eingelegt und schmücken später jeden reichlich gedeckten, armenischen Tisch. Auch frisch gepflückte Pilze finden wir des Öfteren am Straßenrand.
Dazu wird das armenische Brot Lawasch, ein dünnes, ungesäuertes Fladenbrot, serviert. In Sevan erhaschen wir einen Blick in die große Bäckerei und werden von der Bäckerin genauso neugierig betrachtet, wie wir sie beim Brot zubereiten bestaunen.

Wir umrunden den halben See und weichen dabei auf eine kleine Piste aus. Überall in Armenien erblick man viele Kapellen und Klöster, denn Armenien gilt auch als Wiege des Christentums. So auch hier am Sevan See. Als wir an einem Friedhof vorbeiradeln, an dem gerade eine Trauerfeier stattfindet, liegt Weihrauchgeruch in der Luft.

Wir sind auf knapp 2.000 Meter über Meereshöhe und die Natur zeigt sich auch hier am Sevan See, der etwa doppelt so groß wie der Bodensee ist, von ihrer schönsten Seite.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Karen Schröder

    Moin!
    Es ist sehr spannend, was ihr in der Wiege des Christentums zu sehen bekommt. Die Fotos sind wieder ganz klar und prägnant. Mein Favorit ist das rote Klatschmohn Bild…. Erneut eine andere Schrift! Das zeigt, wie unterschiedlich sich die Völker dort entwickelt haben, obwohl die Landschaft sich ähnelt. Anscheinend sind die meisten Armenier Christen. Deshalb hatte die Türkei vielleicht ein Problem mit Armenien…. Ich habe Isabel selten so oft im Anorak gesehen wie jetzt (außerhalb des Wintersporturlaubs). Bald viel Sonnenschein wünschen euch Renate und Karen aus Kiel ☀️☀️

    1. In den Höhen ist es etwas kälter 😀 Aber die Sonne ist eigentlich die meiste Zeit schon auf unserer Seite! Lieste Grüße nach Kiel