Wer an Indien denkt, dem erscheint vermutlich direkt das Bild des sich im Wasser spiegelnden Taj Mahal vor dem inneren Auge und auch wir wollen uns die indische Sehenswürdigkeit Nummer eins natürlich nicht entgehen lassen. Dennoch stellen wir wieder einmal fest, dass es abseits der touristischen Pfade noch so viel mehr Spannendes zu entdecken gibt.  

Viel Spaß beim Lesen!

Wir möchten Delhi in Richtung Agra mit dem Zug verlassen, doch das Buchen eines Zugtickets ist in Indien für Ausländer:innen leider nicht so einfach wie erhofft. Es gibt zwar eine App, aber für das Buchen eines Tickets benötigt man eine Identifikationsnummer, die das Problem an der ganzen Sache darstellt. Mit ein paar Tricks ist es wohl möglich sich zu registrieren, aber das erfahren wir leider erst viel später. Zudem sind Onlinezahlungen in Indien oft nur durch heimische Geldinstitute und Kreditkarten abgedeckt.
Für uns bleibt daher nur der müßige Gang zum Ticketschalter. Allein dies hat schon wieder das Potenzial ein abendfüllendes Programm zu werden. Die riesige Halle des Bahnhofs ist voll mit Menschen. Viele liegen und sitzen auf dem Boden in kleinen Grüppchen zusammen, andere schlafen unter bunten Decken und wiederrum unzählige andere Menschen stehen an den vielen Ticketschaltern an. Glücklicherweise wissen wir, dass es einen Schalter für Touris gibt, der sich jedoch ganz woanders befindet.
Wir durchqueren die Sicherheitsschleuse, überqueren 16 Bahnsteige und verlassen den Bahnhof auf der anderen Seite. Das Tourist Bureau befindet sich in einem anderen Gebäude in der Nähe des Bahnhofs. Auf dem Weg dahin werden wir von nervigen Schleppern und Rikschafahrern bedrängt, die einem gern mal einen vom Pferd erzählen. Eine Sache, die wir von Anfang an gut beherzigt befolgen, traue niemals jemandem am Bahnhofsbereich.
Als wir den Ticketschalter erreichen, stellen wir fest, dass dieser aufgrund eines Feiertages bereits geschlossen ist. Allerdings dürfen wir uns an den anderen Schaltern für indische Bürger:innen anstellen. Doch die Frage an welchem, wird uns erst mit dem Einen und dann mit dem Anderen beantwortet. Als wir an der Reihe sind sollen wir unser händisch ausgefülltes Formular abgeben. Haben wir natürlich nicht. Die Ansage ist kurz und treffend: „Gibt es da vorn, Nächster!“ Wir finden den herrenlosen Schalter mit den weißen Zetteln, nehmen uns einen und widmen uns der nächsten Suche, die nach einem Stift.

Nachdem alle Hürden überwunden sind, füllen wir den Zettel aus. Unter anderem muss man auf diesem die gewünschte Zugklasse angeben, eine schier einfache Frage, die uns doch immer wieder etwas verwirrt. Es gibt AC1, AC2 und AC3 und sind das die gleichen Klassen wie A1, A2 und A3? Außerdem gibt es noch die Sleepers Class SL und S2 und was ist eigentlich WL?
Als wir dann wieder an der Reihe sind, wird uns mitgeteilt, dass der Zug voll ist und es lediglich Stehplätze in einem völlig überfüllten Zug gibt. Wenn wir wollen können wir aber einen Platz auf der Warteliste bekommen. Das System der WL (waiting list) funktioniert wohl an sich ganz gut und man bekommt eine Wahrscheinlichkeit gesagt, ob man noch mitfahren kann oder nicht. Zu viel Spontanität für uns und wir wählen den Stehplatz. Dann wird unser erstes indisches Zugticktet von dem kleinen, ratternden Drucker ausgespuckt.

Am nächsten Tag sind wir etwas zeitiger am Bahnhof und heute hat der Tourischalter offen. Wir bekommen doch noch einen Sitzplatz. Es gibt ein Extrakontingent für Tourist:innen.
Das Anstehen an einem indischen Bahnhofsschalter ist im Allgemeinen mit einem kleinen Kampf gleichzusetzen. Die Menschen versuchen sich oft geschickt vorzudrängeln und quetschen sich gern an einem vorbei. Doch die nette Frau hinter der Glasscheibe gibt uns wohl einen Anfänger:innenbonus, weist den Drängler zurück und winkt uns zu sich heran. Natürlich zum Ärgernis des großen, breiten Mannes, der sich wohl seines Erachtens nach ganz konform an uns vorbeigeschoben und uns somit ins Abseits gedrängelt hat. Doch selbst wenn man dann direkt vor der Glasscheibe steht, kommen die Arme und manchmal auch ganzen Körper der wartenden Menschen immer dichter, gefühlt warten sie nur auf eine kleine Redepause, um sich direkt noch schnell hineinschieben zu können.
Mit dem Ticket in der Hand gehen wir zum Bahnsteig. Er ist überfüllt mit Menschen. Wieder liegen oder sitzen viele kleine Gruppen picknickartig auf dem Boden. Feste Verkaufsstände bieten Chips, frittierte Snacks und Chai an. Wir quetschen uns durch die Massen hindurch, nicht wissend, wo wir denn eigentlich überhaupt hinmüssen. Die große Anzeigetafel zeigt kurz, in kleinster Schrift und unübersichtlich die Züge auf und dann wird sich auch schon wieder der Werbung gewidmet. Ein Zug fährt ein, Menschen stehen in den offenen Türen oder schauen durch die vergitterten, offenen Fenster hindurch. Auf der anderen Seite werden Holzkarren voll mit Gepäck über den Bahnsteig geschoben. Wer nicht rechtzeitig aus dem Weg springt hat wohl Pech gehabt.

Am Tag hat der Bahnhof einen Transfer von ca. 235 Zügen und befördert durchschnittlich 213.000 Personen und zu besonderen Anlässen bis zu 600.000 Passagiere (vgl. International Journal of Transportation Science and Technology). Der Hauptbahnhof in Hamburg, Europas zweitgrößter Bahnhof, hat mit durchschnittlich 550.000 Passagieren somit ein viel höheres Aufkommen (vgl. Wikipedia) . Als wir dies nachlesen, fällt es uns schwer den Zahlen Glauben zu schenken. Wir empfinden es anders. Vielleicht ist es das Chaos, das Andere, das Gedränge, das stundenlange Warten auf die üblichen Verspätungen von mehreren Stunden, die dazu führen, dass in Delhi vielleicht einfach mehr Menschen zur gleichen Zeit auf einen Zug warten und es so viel, viel voller erscheint. Zur ganzen Wahrheit gehört wohl auch, dass es in Delhi nicht nur einen Bahnhof dieser Größenordnung gibt.

Dann fährt unser Zug ein, an den kleinen Schildern sehen wir, dass unser Wagon auf der anderen Seite ist. Die ewig langen Gleise erscheinen endlos. Also hindurch, durch die Massen, rein in den Zug, ins Abteil mit Vorhängen und durchatmen!
Endlose Felder ziehen während der Fahrt an uns vorbei. Als wir kurz vor Agra aus dem Fenster schauen und uns der Stadt nähern, erblicken wir dann das komplette Gegenteil dieser Idylle. Die riesigen Müllberge lösen pures Entsetzen in uns aus. Wir sind schockiert, was man uns vermutlich auch ansieht, denn unser sympathischer Sitznachbar kommentiert direkt, dass ein Entwicklungsland eben genau so aussehe.

Das Erreichen des Bahnhofs ist auch der Beginn der Suche nach einer Rikscha, die uns zu unserer Unterkunft bringen soll. Seit einigen Jahren kann man dies in den größeren Städten über Taxi-Apps machen und das ist wohl für Reisende eine enorme Erleichterung. Zumindest sind wir mehr als froh über dieses kleine, hilfreiche Tool, denn es erspart uns lästige Verhandlungen über völlig überhöhte Preise und es gibt uns ein Gefühl dafür, was eine Fahrt ungefähr kosten sollte. Die Angebote der nervigen Rikschafahrer, die mit dem Verlassen des Zuges auf einen hereinprasseln, sind meist doppelt so hoch. Begleitet wird man dann von wechselnden Männern, die jeweils den allerbesten Preis der Stadt für einen zu bieten haben. Etwas hinter dem Epizentrum warten wir dann gemütlich auf unser Tuk-tuk mit Festpreis und sollte es mal nicht kommen, was auch des Öfteren vorkommt, so wagen wir uns wieder etwas hin zur großen Schar der Rikschas und beginnen die zähe Verhandlung.
Die Digitalisierung ist hier wohl ein guter Schlüssel gegen die Abzocke und vielleicht auch gegen Korruption in anderen Bereichen. In Unterkünften werden z.B. Daten von uns analog und digital aufgenommen, begründet wird dies oft mit der Bekämpfung von Korruption.
Wir fragen uns, ob diese Apps den wenig verdienenden Taxifahrern ihre letzte, goldene Einnahmequelle nehmen. Doch wer lässt sich schon gern über den Tisch ziehen. Umso schöner ist es, wenn wir ab und an tatsächlich auch Fahrer treffen, die mit vernünftigen Preisen in die Verhandlung starten. Die ehrlichen Fahrer sind wohl meistens auch eher zurückhaltend und posaunen einem die Angebote nicht direkt lauthals ins Ohr. Aber ja, bei einem so großen Angebot an Fahrern, bleibt einem vielleicht nicht anderes übrig, um auf sich aufmerksam zu machen.

Es ist das berühmteste Gebäude Indiens, ein Bild was wohl jede(r) mit dem Subkontinent verbindet und für uns auch der Grund, warum wir nach Agra reisen, das Taj Mahal, der Palast der Liebe.
Tausende Besucher:innen strömen täglich hier her, manchmal sogar mehrere Zehntausend pro Tag! Wir stehen extrem früh auf und finden uns gegen halb sechs in der Warteschlange zum Einlass wieder, der erst gegen sechs Uhr seine Tore öffnet. Es ist dunkel, die Sonne geht in diesen Tagen erst gegen halb sieben auf. Der Andrang ist trotzdem schon sehr hoch. Bevor wir das große Gelände betreten dürfen, erfolgt eine strenge Sicherheitskontrolle, bei der z.B. mehrere Polizist:innen darüber diskutieren, ob ein Stadtplan von Delhi erlaubt sei oder nicht.
Als wir vor dem Taj Mahal stehen kämpft sich das erste Licht durch die versmogte Luft. Die unzähligen Aufnahmen, die man von diesem neuen Weltwunder kennt, wurden wohl mit einem künstlichen, strahlend blauen Himmel versehen oder die Fotograf:innen hatten einfach nur ziemlich viel Glück und der Smog war in Luft aufgelöst. Als wir dann direkt vor dem Gebäude stehen biegen wir rechts ab und nicht wie all die anderen Menschen nach links. So gelangen wir zur Ostseite des Gebäudes und sind auf einmal ganz alleine.

Es ist ein magischer Moment, wir sitzen vor dem Taj Mahal. Der Morgendunst liegt tief über dem Fluss und der Smog  ergänzt diese geheimnisvoll wirkende Szenerie, die exotischen Vögel singen und sonst hört man niemanden. Wir sind einfach alleine, genießen die Ruhe und den Moment vor dem imposanten Gebäude. Was für ein symmetrisches Meisterwerk aus weißem Marmor!

Für viele Gäste ist der Besuch dieser Stadt wohl an dieser Stelle oder spätestens nach einem Tag beendet, doch wir werden noch eine weitere Nacht hier verbringen und wollen die 1,7 Millionenstadt Agra noch etwas mehr erkunden. Wir stürzen uns ins bunte Getümmel und schlängeln uns zwischen Kühen, Affen, Mopeds, Rikschas und Menschen mit der typisch indischen Soundkulisse in den Ohren durch die Gassen. Umso weiter wir uns vom touristischen Dunstkreis um das Taj Mahal und der anderen Sehenswürdigkeiten entfernen, desto mehr haben wir die Gelegenheit in den indischen Alltag einzutauchen.

Hinter einer kleinen Tür entdecken wir eine Menge Kinder, die gerade konzentriert in ihre Hefte kritzeln, zumindest bis sie uns entdecken. Der Lehrer bittet uns hinein und wir bekommen einen kleinen Eindruck vom Schulleben einer staatlichen Schule. Stolz zeigen uns die Kinder ihre Hefte und testen kichernd ihr Englisch.

Auf dem vollen Kinan Bazaar ist es einfach nur wieder ein Genuss das indische Straßentreiben zu beobachten. Es ist so viel Unbekanntes, Andersartiges was man sieht und was fasziniert. In riesigen, wokähnlichen Pfannen werden Speisen über dem Feuer zubereitet. Die Gassen sind gesäumt mit Verkaufsläden unterschiedlichster Art. Ein Blick ins Innere zeigt ein chaotisches Bild und doch scheint alles geordnet zu sein. Die Verkaufenden sitzen meist im Schneidersitz irgendwo zwischen all den Waren. Alte Männer sitzen am Rand, sortieren altes Zeitungspapier und pressen dieses. Wieder andere beulen alte Dosen aus, um sie dann wieder zu verkaufen.
Etwas weiter die Straße entlang sind wir dann auf dem Baumarkt gelandet, der hier seinem Namen noch gerecht wird. Es gibt einfach alles was das Heimwerker:innenherz erfreut. In einer Straße werden Holzbalken verkauft. Das Holz spielt auch in der hiesigen Architektur eine Rolle und die hölzernen Balkone und Veranden zieren das ein oder andere Haus. Sehr schmale, schlauchförmige Verkaufsläden reihen sich aneinander. Im hinteren Teil wird das Holz bearbeitet und vorn wird es verkauft. Der Verkäufer sitzt auf seiner Matratze, die ihm wohl auch als Bett für die Nacht dient. Ein Laden neben dem anderen, alle verkaufen sie die gleichen Holzbalken.

Wir laufen immer weiter und verlieren uns in den immer enger werdenden Gassen bis wir irgendwann wieder eine größere Straße und den großen Fluss erreichen. Von der Brücke aus erblicken wir teils riesige Stoffe, die im dreckigen Strom gewaschen und anschließend am schlammigen Ufer zum Trocknen ausgelegt werden. Außerdem ist das Ufer gesäumt von Müll. Daneben liegen die Wasserbüffel genüsslich in der braunen Brühe und genießen die Abkühlung.

Was wir hier beobachten dürfen, ist der indische Wäscheservice. Die Textilien werden von den sogenannten dhobi wallahs mit Seife am Fluss gewaschen und geschrubbt, bevor sie in der Sonne zum Trocknen ausgelegt werden.
Als wir auf der anderen Seite des Flusses sind, strahlen uns dann die leuchtenden Farben von Kleidungsstücken entgegen. Sie liegen überall aus und tauchen den Straßenrand in ein buntes Farbenmeer.

Mit dem Verlassen der Hauptstraße wird es immer entspannter. Die Häuser werden immer kleiner, einfacher und irgendwann erblicken wir zunehmend auch einfache Zelte mit Kochstellen davor. Einige Kinder fragen uns nach Geld, sind nach einem Kopfschütteln und Namaste unsererseits aber weder aufdringlich, noch laufen sie uns ewig weiter hinterher, sondern grüßen freundlich zurück.
Nur zwei junge Rikschafahrer im Kindesalter begleiten uns die ganze Zeit und fahren langsam neben uns herum. Am Anfang ist es vielleicht noch ganz lustig, aber als sie uns zum zehnten Mal fragen, ob wir nicht endlich mitfahren wollen, obwohl wir schon unzählige Male freundlich abgelehnt haben, ist es auch mit unserer Geduld zu Ende. Das Wort policia rettet uns dann aus der Situation und sie sind ganz schnell weg. Warum ist uns das bloß nicht eher eingefallen. Diese kleine Anekdote spiegelt wohl ganz gut wieder, dass ein „Nein“ nicht wirklich verstanden bzw. akzeptiert wird. Vor allem nicht bei touristischen Opfern.

Doch sobald man wieder weg von den touristischen Pfaden ist, bekommt man auch wieder ein ehrliches, herzerwärmendes Lächeln geschenkt, vor allem wenn man die Menschen auf Hindi begrüßt. Das einfache Namaste mit entsprechender Geste ist oft ein kleiner Türöffner und die Menschen erwidern herzlich.

Schon kurze Zeit später finden wir uns in unserem ersten, hinduistischen Festumzug wieder. Was hier genau zelebriert wird wissen wir nicht, aber es hat wohl irgendetwas mit Krishna, einem der unzähligen Götter, zu tun. Für uns ist der Hinduismus noch ein großes Rätsel. Wir bekommen die bunten Bänder um den Hals gehangen und werden in die tanzende Menge befördert. Die Menschen freuen sich wie verrückt und wir bahnen uns in der Menge den Weg über die Straße zum Takt der Trommeln. Was für ein unverhofftes Erlebnis und eine erste Annäherung an diese Weltreligion.

Außerdem kommen wir in Indien immer wieder in Kontakt mit dem Sonnenrad, der Swastika. Dabei handelt es sich um eines der ältesten Symbole der Welt, welches vor allem im Hinduismus, Buddhismus und Jainismus für Glück steht. Für uns wirkt es befremdlich, löst alles andere als Glücksgefühle aus, wenn wir all die fröhlichen Menschen mit einem Hakenkreuz sehen. Mit der Zeit ändert sich unsere Wahrnehmung allerdings, denn immer mehr fühlen wir den Zusammenhang zur indischen Tradition und nicht zum Nationalsozialismus, wenn wir dieses Symbol sehen.
In einer gewissen Hinsicht wird uns die Widersprüchlichkeit eines Verbotes bewusst. Das Hakenkreuz ist für uns eindeutig negativ belegt und lässt auf den ersten Blick keinen anderen Interpretationsspielraum zu. Es braucht etwas Zeit, um das Sonnenrad anders zu deuten und doch sind wir froh, so sensibel darauf zu reagieren, denn es zeigt ja auch, dass Aufklärung über die Geschichte etwas bewirken kann.

Die nächste Sensation erwartet uns in einer Gasse eines anderen Stadtteils. Diesmal der kulinarischen Art. Nachdem wir die ganzen Snackstände einmal im Vorbeilaufen ausgespäht haben, machen wir es wie immer und halten dort an, wo auch die Inder:innen Schlange stehen.
Wir werden von einer netten Familie in die indische Fastfoodvielfalt eingewiesen und dann beginnt das große Probieren. Nun kommen wir auch endlich in den Genuss von Gol Gappe. Wir konnten schon des Öfteren beobachten, wie die Menschen neben den manchmal nur ganz winzigen Ständen auf Rädern stoppen und ihre kleinen Schalen einige Male wieder mit den kleinen Kartoffelbällchen und irgendeiner Sauce gefüllt werden, bevor sie schwungvoll und mit einem Happs im Mund landen. Die Bällchen werden je nach Stand für unschlagbare 20 Rupien (ca. 20 Cent) fünf oder sechsmal nachgefüllt. Indisches Streetfood wirds bei uns ab jetzt wohl öfters geben, denn das Angebot an verschiedenen Snacks ist riesig.

Wir besuchen die Fressgasse noch ein zweites Mal. Doch bevor wir uns weiter mit indischem Streetfood vollstopfen können, ärgern wir uns erstmal über den Rikschafahrer, der uns zum Fresshimmel befördern soll. Schon während der Fahrt zählt er alle Sehenswürdigkeiten der Stadt auf und gibt zum Besten, dass er uns überall für einen unschlagbaren Preis hinbringen würde. Zwischendrin versucht er uns weis zu machen, dass die Stände in der Straße heute geschlossen sind.
Es ist Freitagmittag und in Agra gibt es auch eine islamische Minderheit. Vielleicht hat er Recht, denn es wäre ja nicht das erste Mal auf unserer Reise, dass Stände aufgrund des Freitagsgebets geschlossen sind. Vielleicht erzählt er uns aber auch wieder nur irgendeine Geschichte, um Profit rauszuschlagen. Es gibt unzählige Berichte darüber, was Taxifahrer sich in Indien alles ausdenken, um Provisionen zu erlangen, weil sie einen irgendwohin schleppen wie z.B. das Märchen vom abgebrannten Hotel. Das Problem an der Sache ist, dass man einfach nicht mehr weiß, wem man was glauben soll und somit das Grundvertrauen gegenüber den Menschen in Mitleidenschaft gezogen wird.
Als wir an der Straße ankommen, erblicken wir die altbekannten Gesichter hinter den Ständen, die gerade öffnen und damit haben wir den Beweis, dass wir hier wohl die märchenerzählende Version eines Taxifahrers erwischt haben. Bestätigt wird das Ganze dann im zweiten Akt des Schauspiels: Herausgabe des Wechselgeldes. Der Märchenprinz kann nämlich nicht wechseln, aber er kann dafür hier auf uns warten und uns dann weiter mitnehmen. Er ist auch keinesfalls gewillt, sich vielleicht mal von seinem Thron zu erheben, um welches zu besorgen. Wir sind genervt und nehmen die Sache selbst in die Hand. Der nette Verkäufer aus dem Schreibwarenladen rettet uns und der Rikschafahrer hat nun wohl auch verstanden, dass bei uns nichts zu holen ist. 

Auf unserem Heimweg klopfen wir uns noch einmal so richtig selbst dafür auf die Schulter, dass wir heute Morgen so zeitig aufgestanden sind, denn im Dunstkreis des Taj Mahal tummeln sich mittlerweile Massen an Menschen. Wir verschwinden in einen wunderschönen Park ganz in der Nähe und atmen zwischen den für uns außergewöhnlichen Pflanzen und Tieren erstmal genüsslich die frische Luft ein, die uns hier plötzlich umgibt. Man findet also selbst in den großen, vollen indischen Städten immer wieder grüne Ruheoasen, man muss sie eben nur suchen und finden.

Wahnsinn was an einem Tag so alles passieren kann. Voller Eindrücke und Erlebnisse schlummern wir ein, um uns am nächsten Tag auch schon ins nächste Abenteuer zu stürzen. Der Weg zum Bahnhof führt uns jedoch auch nochmal die hiesige Müllproblematik vor Augen. Es ist einfach unglaublich, mitten in der Stadt neben der Straße türmen sich immer wieder Müllhalden, direkt neben Straßenständen und der Ampelkreuzung, als gehöre es einfach dazu.

Unsere Zugfahrt in Klasse S2 steht bevor. Diesmal reisen wir mit unzähligen Ventilatoren über und fünf netten Frauen neben uns in einem bis obenhin vollen Abteil. So voll wie man die Züge vielleicht aus dem Film kennt ist es allerdings nicht, aber vielleicht so laut wie man es vermuten würde. Der Dauerverkaufskanal beginnt noch im Bahnhof. Samosa wird von außen durch die offenen Gitterfenster verkauft, Chai, Chai, Chachachaaaaaai schallt es von den inneren Gängen. Nach der Abfahrt laufen die Männer im viertelstündigen Turnus mit Bauchläden voller Chips, Keksen oder Eimern mit verschiedenem, indischem Gebäck an uns vorbei. Nicht zu vergessen natürlich die Chaiverkäufer mit ihren großen Thermokesseln, die noch häufiger durch die Gänge stolpern.

Doch wir brauchen nichts davon, denn unsere Sitznachbarinnen versorgen uns die ganze Fahrt gleich mit und bringen uns ein paar erste Wörter Hindi bei. Das Verkaufsgeplapper wird noch übertrumpft von all den lauthals schnatternden Gästen, Gesang hier und dem Schienensound da.

Dir hat unser Beitrag gefallen? Wenn du möchtest, kannst du hier etwas in unsere virtuelle Kaffeekasse werfen.

Schreibe einen Kommentar

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karen Schröder

    Namaste🙏!
    Es wird verständlich, warum im „Dschungelbuch“ von Rudyard Kipling überall die Affen mitspielen….Wie schön, dass ihr soviel gesehen und erlebt habt und dann die ruhigen Oasen zum Durchatmen gefunden habt. Die Farbvielfalt und -pracht und du ie tollen Fotos sind wieder beeindruckend. Die Kehrseite der 🏅 Medaille aber erschreckend. Wohin mit dem Müll? Wenn man von Süden nach Paris hinein fährt, kommt man auch am Müll vorbei (vielleicht etwas besser kaschiert). Schrödi erzählt von der Flusskreuzfahrt in China auch, dass Ab- und Frischwasser ineinander übergingen, sodass sie gar nichts essen mochte…
    Ich bewundere eure Geduld mit den Abzockern. Dazu bin ich nicht geeignet….
    Weiterhin starke Nerven und viel Neugier auf andere Lebensformen wünschen euch aus dem nassen Weihnachtswetter Renate und Karen 🎄🌲🎍