Es gibt keine Wellen mehr, es gibt nur noch Wind. Wir fahren auf der Insel Java immer weiter gen Osten. Dabei begegnet uns die ein oder anderen Herausforderungen, die uns bis an unsere Grenzen bringen.

Viel Spaß beim Lesen!

Schweren Herzens verlassen wir Batu Karas, aber der nächste Surfspot ist nur eine halbe Tagesetappe entfernt, Pangandaran. Ein Katzensprung, wäre da nicht dieser unerträglich starke Gegenwind! Da wir erst am Nachmittag starten, erleben wir ihn in seiner vollen Stärke, 20 bis 25 Knoten blasen uns direkt ins Gesicht. Der Gegenwind ist nun zwar schon länger unser ständiger Begleiter, doch erst hier in der flachen Ebene kommt er so richtig zur Geltung. Da freuten wir uns einst auf das flache Stück in Zentraljava, um es dann in der Realität viel mehr zu verabscheuen…
Wir erreichen Pangandaran völlig erschöpft, als hätte uns der Wind den letzten Funken Motivation aus dem Geist geblasen. Wir checken in einem gemütlichen Gästehaus ein und machen Pause. Diesmal richtig, wir lassen sogar die Surfbretter in der Tasche. Zumindest am ersten Pausentag.

Vor uns liegt die flache und fruchtbare Ebene Zentraljavas. Die Wettervorhersage lässt uns etwas hoffen. In den nächsten zwei bis drei Tagen macht der konstante, starke Ostwind eine kleine Pause. Vor uns liegen etwa 230 knackige Kilometer! Das heißt sehr früh aufstehen und radeln, was das Zeug hält!

Wir starten im Dunkeln. Langsam erhellt das erste Licht den Himmel. Klare, definierte Wellen brechen am Strand. Wir drücken lieber den Gedanken weg, doch nochmal ins Wasser zu springen, zu sehr wirkt der Weg nach Pangandaran im Wind nach. Auf der Hauptstraße rast ein Auto während eines gewagten Überholmanövers so knapp an uns vorbei und zieht ebenso knapp vor dem LKW wieder rein, dass wir vom Herz in die Hose rutschen dann auch direkt hellwach sind.
Als wir die erste von zwei Hügelketten der Etappe erreichen, ist es zwar noch vergleichsweise kühl, doch als wir oben ankommen, sind wir aufgrund der feuchten Luft trotzdem schon komplett durchgeschwitzt und können die Sachen auswringen. Die Hosen werden an diesem Tag trotzdem nicht wieder trocken werden. Die Abfahrt kühlt uns herunter und dann heißt es erst einmal Radfahren mit Genuss. Flaches Terrain und kleine Straßen durch saftig grüne Landschaft und Reisfelder. Wir befinden uns nun in Jawa Tengah (Zentraljava).

Schon bald wird der Wind kräftiger, trotzdem kommen wir gut voran, als ob das Ziel „Gegen den Wind“ uns neue Motivation verschafft. Doch schon bald soll es damit auch wieder vorbei sein. Wir müssen auf die große Bundesstraße und der Verkehr hier ist fürchterlich. Die Straße erinnert eher an eine schlecht erhaltene, deutsche Bundesstraße, als an eine Hauptverkehrsader der bevölkerungsreichsten Insel der Welt. Wir quälen uns über die Straße, umfahren Schlaglöchern und müssen immer wieder auf den abgesetzten Schotterstreifen ausweichen.

Wir machen eine Pause in einem Café und überlegen wie es weiter gehen soll, dabei dröhnen die Lkw und lauten Motoräder an uns vorbei. Unser Kopf hämmert, es ist heiß und feucht, die Beine erschöpft. Trotzdem entscheiden wir uns noch einmal 30 Kilometer ranzuhängen, denn so sparen wir uns die Stadt Cilakap und damit einen Umweg. Aber 30 Kilometer in unserem Zustand sind noch immer eine dicke Portion. Doch uns bleibt keine Wahl, denn der Ort ist der Erste, der eine Unterkunft bietet…
Wir weichen auf eine kleine Straße aus, um den fürchterlichen Verkehr zu entkommen. Allerdings ist dieser kleine Weg in einem noch viel schlechteren Zustand. Noch dazu sind wir auf einmal wieder in hügeligen Gefilden gelandet. Knackige Anstiege fordern uns immer wieder. Damit haben wir jetzt so gar nicht gerechnet! Wir mühen uns ab, schieben erneut und sind klitschnass geschwitzt…

Als wir wieder in flacherem Terrain ankommen, können wir der großen Straße relativ gut ausweichen. Der Wind ist unermüdlich und unsere Beine durch die nassen Sachen wundgerieben. In der Abenddämmerung erreichen wir nach knapp 100 km unsere Unterkunft. Doch auf die Frage nach dem Zimmer werden wir nur verdutzt angeschaut. Es gibt kein freies Zimmer. Alles wirkt wie eine Langzeitunterkunft und es dauert ein wenig bis wir unseren Fehler bemerken. Auf dem Schild steht „Vina Homestay“ und nicht „Vins Homestay.“ Unsere Unterkunft ist ca. 100 Meter weiter. Doch auch hier scheint niemand mit uns gerechnet zu haben, obwohl wir das Zimmer via booking.com gebucht haben.
Wir werden von anderen Gästen empfangen und hereingebeten. Sie bieten uns einen Tee an und wollen für uns den Vermieter anrufen. Es dauert ein wenig, dann kommt er angefahren und lässt uns in ein leeres Zimmer. Wir entledigen uns endlich der nassen Sachen und freuen uns auf die Dusche, etwas trockenes zum Anziehen und das dunkle, ruhige, kalte Zimmer.

4:30 Uhr, fast vor dem Muezzin sind wir notgedrungen schon wieder auf den Beinen. Auf der Straße ist zum Glück noch nicht so viel los und auch der Wind hat noch nicht ausgeschlafen.
Nach ca. 20 Kilometern ist es Zeit für unser Frühstück. Wir halten an einem kleinen warung am Straßenrand. Es gibt Frittiertes mit nasi. Wir setzen uns an den Tisch im Inneren und lehnen an der Wand, während wir unseren kopi schlürfen. Der kleine Raum ist nicht nur Küche, Auslage und Essbereich sondern auch das Wohn- und Schlafzimmer der Familie.

Hinter der Küchenzeile entsteht etwas Bewegung und kurze Zeit später schauen uns vier verschlafene Augen an. Im Halbschlaf bekommen sie ein Hand nasi nach der anderen in den Mund geschoben und mit dem Anschalten des Fernsehers verfliegt die letzte Müdigkeit. Die gemütliche Ruhe des blechernen, schrillen Kindercartoons wird durch den Absturz eines Ventilators unterbrochen. Der kleine Strick zum Anschalten verheddert sich an einem Nagel und verhindert Schlimmeres. Alle schauen kurz auf den baumelnden Ventilator, eine Frau hängt ihn ohne Aufregung wieder auf und alle gehen weiter ihren eigentlichen Dinge nach.

Wir überwinden eine kleine Hügelkette und erreichen danach die nächste flache Ebene. Der Tag schreitet voran, der Verkehr wird dichter und auch der Wind nimmt zu. Anfangs können wir noch auf einen kleinen Weg ausweichen und durch die Reisfelder fahren. Das Fahrrad gehört hier auch bei den Einheimischen noch zu einem „beliebten“ Fortbewegungsmittel. Dabei sind diese alten klapprigen Räder teilweise so voll beladen wie wir.

Wir radeln und radeln und radeln und radeln. Irgendwann müssen wir auf eine größere Straße abbiegen, die zu unserem Glück gerade gebaut wird. Der Verkehr wird ausgebremst. Wir mühen uns gegen den Wind, dessen einziger Vorteil die Kühlung unserer überhitzten Körper ist.
An einer großen Kreuzung mündet die Straße in eine andere. Die Baustelle ist passe und der Verkehr unangenehm voll. Bei immer stärker werdenden Nachmittagswinden mühen wir uns gen Osten. Der Verkehr wird immer schlimmer und die Straße ist so schlecht, dass wir einige Schlaglöcher mitnehmen müssen um nicht auf die Fahrbahn zu geraten. Die Autos und LKWs brausen an uns vorbei, ohne Rücksicht oder auch einfach so, weil man es eben hier so macht, weil es eben keinen Platz gibt. Wir sind völlig gestresst und ausgelaugt.

Nach einigen Kilometer können wir endlich wieder auf eine kleine Straße abbiegen. Es ist ruhig, gemütlich und der Wind wird durch die Palmen und Häuser abgeschattet. Es macht schon fast wieder Spaß zu radeln. Die Straßen enden teilweise in holprigen Schotterwegen oder zweispurigen Steinplatten, deren Abstand nicht ausreicht, sodass der Hänger darauf fahren kann und wenn, dann ist ja auch noch die Spur des Fahrrads, die über die holprige Mitte rollen muss. Aber auch diese Wege enden irgendwann und so müssen wir immer wieder auf die große Straße zurück.

Der Tag neigt sich dem Ende und der Wind wird immer stärker, er peitscht uns entgegen und zerrt an unseren Kräften. Unsere wunden Beine mühen sich Kilometer für Kilometer. Da heute ein Feiertag ist, buchen wir unsere Unterkunft lieber noch schnell im Voraus. Ein Ziel und ein kaltes, trockenes Bett zu haben, verleiht uns neue Kraft.
Die Dämmerung setzt ein und wir haben noch ca. fünf Kilometer vor uns, da taucht vor uns auf einmal ein Tunnel auf! Im Flachland! Und selbst in den Bergen haben wir noch keinen einzigen Tunnel gesehen. Dieser knapp ein Kilometer lange Tunnel führt unter dem Flughafen hindurch und es gibt keine andere Möglichkeit für uns, denn die fünf extra Kilometer über die große Straße sind für uns keine Option.
Augen zu und durch! Motorräder heulen unerträglich laut an uns vorbei. Das donnernde Dröhnen der LKW ist unerträglich! Die Beleuchtung des Tunnels ist ein Albtraum. Deshalb müssen wir in der Mitte des Tunnels stoppen und in einer Notfallbucht anhalten, kramen unsere Kopflampen heraus und befestigen sie zusätzlich an unseren Rädern. Dann fahren wir so schnell wir können und atmen endlich wieder durch, als wir das Ende erreicht haben!

Im Anschluss an diese Odyssee finden wir unsere Unterkunft nicht. Irren umher, fragen nach, doch da kommt nur eine bedeutungslose Antwort zurück. Wir versuchen einen kleinen Pfad und tatsächlich kommen wir dadurch auf einen anderen Weg, der uns hinführt. Vielleicht sind wir einfach zu erschöpft zum klaren Denken. Neben den körperlichen Anstrengungen, den vielen Eindrücken, den intensiven Begegnungen müssen wir nun auch den unglaublichen Stress, der von der großen Straße ausgeht, händeln.
Als wir die Unterkunft erreichen, die nächste Überraschung. Eine große Gruppe trifft mit uns ein. Wir sind froh, dass wir das Zimmer heute Nachmittag gebucht haben. Doch als wir einchecken wollen, sagt die Frau, es sei ausgebucht und sie habe kein Zimmer für uns. Wir zeigen ihr unsere Buchung und sie murmelt nur irgendwas von: „Das kenne ich nicht.“ Das alles zieht sich zehn Minuten hin, unsere Nerven liegen blank und als die Frau dann irgendwann sagt: „Ah, hier ist eine Buchung von booking.com. Sind sie das?“ sind wir sprachlos und müssen ganz tief atmen, denn ihre neue Erkenntnis, haben wir ihr die ganze Zeit präsentiert. Vielleicht hat sie einfach nicht zugehört…

Am nächsten Morgen starten wir sehr motiviert. Es sind nur noch knapp 40 Kilometer nach Parangtritis. Doch als wir die große Straße erreichen verfliegt die gute Laune schnell. Der Verkehr ist der blanke Horror. Zudem weht schon in frühen Morgenstunden eine immer stärker werdende Brise. Wir versuchen der Straße auszuweichen, doch diese kleinen Wege werden immer schlechter und einmal landen wir sogar in einer Sackgasse.
Zurück auf der Großen spüren wir langsam das echte Java, das voll ist mit Menschen und seit einigen Jahrzehnten eben auch voll von jeglichen Gefährten. Die LKW, Autos und Kleintransporter rasen an uns vorbei. Wirklich Abstand halten die wenigsten. Ein Kleintransporter touchiert sogar ein vollbeladenes Moped vor uns, welches sich jedoch strauchelnd wieder fängt und unbekümmert weiterfährt. Manchmal kommen uns Busse oder Autos auf unserer Fahrbahn entgegen, weil sie gerade überholen. Uns bleibt dann nur der Ausweg in den Schotter neben der Straße und zwar schnell!
Nach schrecklichen 20 Kilometern verlassen wir endlich die Straße. Mit unseren Nerven und Kräften sind wir zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon am Ende. Wir mühen uns weiter, suchen verzweifelt etwas zu Essen. Das Ergebnis erfüllt seinen Zweck, mehr auch nicht. Auf kleinen Straßen schlängeln wir uns bis zum Meer zurück und als wir dieses erreichen, ereilt uns der nächste Schock, denn der Pantai Parangtritis scheint wohl der „Stadtstrand“ der 30 Kilometer entfernten Großstadt Yogyakarta zu sein. Doch mit Ruhe ist hier nichts und an Entspannung schon gar nicht zu denken. Tausende Stände, überall Menschen und das Schlimmste: überall laute Jeeps oder Quads am Strand und dabei ist noch nicht mal das Wochenende eingeläutet.

Es nützt nichts, wir müssen weiter. Hier werden unsere aufgeheizten Köpfe nicht zur Ruhe kommen können. Wir müssen definitiv die Flucht ergreifen. Doch aus eigener Kraft schaffen wir es nicht mehr, denn vor uns liegt ein knackiger Anstieg mit drei Kilometer à 100 Höhenmeter! Wir suchen in der Stadt nach einem offenen Kleintransporter, einem mobil besar. Doch die Suche wird schwieriger als gedacht. Niemand will uns mitnehmen und schon gar nicht, wenn wir sagen, wo wir hinwollen. Hilflos stehen wir in der brennenden Sonne vor einem Indomaret und versuchen vorbeifahrende Kleintransporter anzuhalten. Es wirkt aussichtslos und wir verzweifeln noch mehr. Doch irgendwann finden wir tatsächlich noch jemanden. Zwei Männer müssen in die gleiche Richtung und wir sind überglücklich, als die Räder auf der Ladefläche verstaut sind. Die Verladung ist mittlerweile fast schon routiniert.
Kurz bevor das Terrain so richtig ansteigt, halten wir in einem kleinen Wald an. Es ist Freitag gegen elf Uhr und die zwei Männer wollen noch kurz in die Moschee. Dann brausen wir durch die Landschaft und sind erneut glücklich, nicht radeln zu müssen. Kurz vor unserer Unterkunft werden wir rausgelassen. Die Mittagssonne ist unerbittlich und selbst die letzten Meter kosten noch einmal richtig Überwindung. Doch dann sind wir da, in einem sehr gemütlichen und urigen Homestay, wo wir mit einem Tee begrüßt werden! 

Am nächsten Morgen schlafen wir aus und verlängern direkt um einen Tag. Es ist noch nicht mal 7 Uhr und die Baumkronen wanken bereits. Der Sturm, oder einfach der normale Sommerwind, ist zurück und wir sind unglaublich froh, dass wir die Ebene überwunden haben, auch wenn es ordentlich Kraft gekostet hat.
Das Homestay ist ein traditionelles, javanisches Haus im Holzbaustil. Ibu Suti kümmert sich liebevoll um die Gäste und jeden Morgen bereit sie uns ein leckeres sarapan zu, heute soto ayam. Wir genießen die Ruhe in vollen Zügen.
Am Abend laufen wir zur großen Straße, wo es ein kleines Restaurant gibt. Neben der Auslage mit den vielen Leckereien, die wie immer in aufgestapelten Keramikschüssel ausgestellt sind, gibt es hier noch eine Suppenküche. In einem Holzverschlag mit Verglasung steht der große silberne Kessel. Wenn jemand eine Suppe möchte wird das Gas aufgedreht und mit einem langen Stück brennendem Papier entzündet. Unter tosendem Brausen wird die Suppe erhitzt. Als die Ibu den Deckel des Kessels abnimmt schwappt eine große Dampfwolke heraus und vernebelt alles. Die kleine Glühbirne, die über dem Kessel hängt, taucht die ganze Situation in ein warmes Licht.
Wir waren auch am Mittag schon hier und haben einfach nur dagesessen und das Treiben beobachtet. Wie magere Männer inmitten der Kreuzung mit einer kleinen Fahne herumspringen und den Verkehr regeln. Manchmal brausen die Autos einfach vorbei, manchmal nehmen sie Rücksicht, ab und an bekommen die Männer auch einen Schein zugesteckt. Doch schon bald wird ihr „Job“ hier wohl passe sein, denn die moderne Ampel ist bereits aufgebaut.
Wir sehen eine ältere Frau, die stark gebückt die Straße hinaufläuft. Auf dem Rücken balanciert sie jede Menge Feuerholz. Vor ihr springt ihr Enkel herum und erfreut sich sichtlich an jeder Menge kleinen Ding, die er im Straßengraben findet. Auf der Straße rasen teure SUV aus Yogya und vollbeladene Reisebusse vorbei. Wie unterschiedlich die Welten selbst innerhalb eines Landes doch sind! In Indonesien wird uns das immer wieder deutlich!
Wir schlendern zurück, der Muezzin ruft zum Abendgebet. Vor uns steigt die Straße steil an. Auf der Kuppe schlendert ein älterer Mann in Richtung Moschee. Auf der Schulter hängt der Gebetsteppich und mit jedem Schritt stützt er sich auf seinem Stock ab. Wir sehen nur seine Kontur, die der Lichtkegel der Straßenlampe in die Nacht zeichnet.  Als wir näherkommen, grüßt er uns höflich und lächelt uns durch seine Zahnlücke zu.

Kaum sind wir zurück auf der Straße, hält die Erholung vielleicht für eine Stunde an. Anfangs können wir das Auf und Ab durch die gute Asphaltierung ganz gut meistern. Der Schwung vom Runterrollen macht es möglich, dass wir lediglich den letzten Teil der Anstiege wie wild strampeln müssen. Die Dörfer mit den traditionell geformten Dächern auf den Häusern sind sehr gemütlich. 
Doch als die „neue“ Straße endet, wird es auch wieder anstrengender für uns. Auf der Hauptstraße dann so richtig, denn dort ist noch dazu die Hölle los. Überall riesige Busse, die sich definitiv nicht um Radfahre*rinnen scheren sowie irre volle Strände. Vermutlich ist das der indonesische Wochenendwahnsinn im Stadtbezirk von Yogyakarta.

Zumindest am Abend finden wir einen wunderschönen Lumbung und ändern unsere Strategie. Wir wollen ausschlafen und damit mehr Energie tanken. 
Als wir dann am nächsten Morgen entspannt am Frühstückstisch sitzen, treffen wir auf einmal alte Bekannte. Yoga, Vanya und der kleine Bumi sind auch gerade hier. Wir haben sie in Batu Karas kennengelernt.

Schon nach wenigen Metern auf dem Rad verfliegt die gute Stimmung des Morgens. Erneut raubt uns der Weg jegliche nicht mehr vorhandene Energie. Die immer wiederkehrenden, kräfteraubenden Anstiege und der unerbittliche Gegenwind, der uns jetzt sogar schon auf dem Weg nach oben ausbremst. Es ist heiß, schwül, alles ist klitschnass und immer wieder geht es auf und ab. Der Hänger ist zu einem ungeliebten Anhängsel geworden und jedes Mal schnaufen wir aus dem letzten Loch den Berg nach oben, von Schmerzen geplagt und nach Luft ringend. Wir haben unsere Grenzen erreicht oder vielmehr haben wir sie bereits überschritten, wenn wir unsere Waden und Achillessehne fragen. Wir mühen uns trotzdem weiter, was sollen wir auch sonst machen.

Apathisch sitzen wir an einem Holzverschlag unter einer LKW-Plane, die Schatten spenden soll. Die obligatorische Mangga-Zigarettenwerbung darf natürlich in dem ganzen Ensemble nicht fehlen. Wir müssen den Würgereiz unterbinden, wenn wir in die Auslage schauen. Auch die Suppe, die jetzt vor uns steht, riecht eher ungemütlich. Zumindest tut der Wind gerade etwas gut und kühlt unsere durchnässten überhitzten Körper.
Ein Kleinbus hält neben uns in der Einfahrt. Er fungiert als völlig überfüllter Schulbus. Kreischende und energisch winkende Mädchen in einer weiß-roten Schuluniform mit Hijab kleben an und hängen aus den Fenstern. Der Busfahrer holt gerade ihr Mittagsessen, es gibt Tütensuppe, das heißt hier eben wirklich Suppe in einer Tüte.

Am späten Nachmittag erreichen wir in der brennenden Sonne eine Unterkunft im Nirgendwo. Wir checken ein und können kaum noch klar denken. Überall hängen Vogelkäfige unter dem Vordach, die quietschenden Hilferufe rauben uns den letzten Nerv. Essen gibt es hier auch nicht viel, Mie-Nudeln aus einer Packung. Wir bestellen direkt mehrere…
Unsere Vorfreude auf den nächsten Tag hält sich in Grenzen. Das Einzige, was uns noch motiviert, ist zu wissen, dass wir nur noch eine Etappe bis nach Watu Karung vor uns haben.

Am nächsten Tag ändern wir wieder unsere Strategie. Wieder früh aufstehen, die Sonne am Nachmittag ist zu doll! Die Luft ist allerdings auch schon am Morgen unglaublich schwül. Alles ist feucht und wir quälen uns in unsere ekligen Radsachen. Die Straße ist nass von der gesättigten Luft und von den dichten Bäumen tropft der Dunst. Vor uns liegt, ja was sonst, ein Anstieg. Diesmal länger als sonst, aber nicht unbedingt weniger steil.
Schon zum Frühstück sind die Sachen einmal komplett durchnässt. Um Wundreibungen zu verhindern, wechseln wir die Sachen und sitzen vor unserem gado gado, mit einem kopi hitam und starren auf die Straße. Auf der Gegenseite macht gerade der Baumarkt auf. Bewehrungsstäbe werden irgendwie auf eine LKW gewuchtet, sie überragen diesen und baumeln vor der Windschutzscheibe. Ein Bindfaden zu Sicherung wird schon reichen. Ein anderer junger Mann schleppt Zementsäcke in einer Schubkarre und schlürft in Flipflops zurück zum nächsten. Um seine Sachen nicht dreckig zu machen, trägt er eine Schürze.
Weiter geht es, weiter bergauf, bergab. Die Anstrengungen rauben uns die Kräfte und ein Lächeln will uns immer seltener über die Lippen fließen. Wir schaffen es oft nur noch nickend auf die grüßenden Menschen zu antworten. Wieder geht es Berg hoch. Mit Schwung und letzten Kräften schleppen wir uns nach oben, wo wir vor Schwäche fast umfallen, wenn wir über den Lenker gelehnt nach Luft ringen.
Was haben wir uns hier nur angetan! Wieder geht es bergauf. Wieder ein längerer Anstieg! Als wir oben sind, stellt uns ein Mann einen Eimer Wasser hin, nachdem er gesehen hat, wie wir vergeblich einen Wasserhahn öffnen wollten. Das kalte Wasser schöpfen wir direkt über unseren Kopf. Gleich noch einmal. Es bringt uns etwas Leben zurück, wir können wieder klarer denken. Dazu eine kalte Limo und die Welt sieht wieder etwas fröhlicher aus.

Mit wieder gefundener Motivation radeln wir weiter. Die Kilometer verfliegen, das Ziel kommt näher, auch das kann motivieren. Selbst wenn uns der Wind immer noch ohne Erbarmen entgegenbläst oder das hügelige Terrain uns fordert.
Doch einen Endgegner haben wir noch vor uns, eine Schlucht! Von 0 auf 70 in 300 Metern! Über 20 Prozent Steigung. Erneut schmerzt selbst das Herunterlaufen…

Es ist verrückt, doch so einen extremen Anstieg meistern wir mental viel besser als die darauffolgenden, kleinen Steigungen. Doch irgendwann schaffen wir es endlich bis in das Homestay in Watu Karung. Völlig fertig und leer erreichen wir die Rezeption und verzweifeln an der Frage, welches Zimmer wir haben möchten. Die Auswahl zwischen zwei Räumen überfordert uns in diesem Moment ungemein.
Unsere eklig stinkende Radkleidung werfen wir in einen Beutel und bringen diesen direkt zu einer Wäscherei. Zur Feier des Tages einmal keine Handwäsche.

Mit jeder weiteren Stunde des Tages entspannt sich unser Gemüt. Wir atmen durch und sind nicht mal traurig, dass wir hier nicht Wellenreiten können. Vier bis fünf Meter hohe Wellen brechen in die kleine Bucht hinein und hinterlassen einen riesigen Whirlpool. Wenn die großen Brecher gegen die Felsen schmettern, hinterlassen sie eine seichte Vibration der Umgebung. Unglaublich diese Naturgewalt!

Nach einem Tag Pause treten wir unsere letzte Etappe nach Pacitan an. Wir wissen schon jetzt, dass das unsere vorerst letzten Kilometer werden. Wir schaffen es nicht weiter. Der Hänger und das ganze Gepäck sind zu schwer für diese Berge. Wir haben Probleme mit dem Knie und der Achillessehne. Vielleicht nehmen wir den Bus oder den Zug…
Auch die letzte Etappe fordert uns noch einmal richtig. Es geht so weiter wie bisher. Mit wirklich letzten Kräften erreichen wir Pacitan oder eigentlich ist da keine Kraft mehr, sondern lediglich der Wille anzukommen.

In einem indonesisch-französischen Homestay werden wir die nächsten Tage unterkommen. Es ist eine der schönsten Unterkünfte, die wir in Indonesien bisher gefunden haben. Kleine, gemütliche Bungalows mit Liebe zum Detail und eine große Gemeinschaftsküche im Freien. Jeden Morgen gibt es frisch gemahlenen Kaffee und selbst ein Blender für Smoothies steht bereit. Wir sind in einem kleinen Paradies gelandet! Noch dazu sind die Besitzer*innen herzallerliebst und fürsorglich.
Tina wirft uns auch direkt einen neuen Gedanken zu, wie wir unser Fortbewegungsproblem lösen könnten, mit einem Cargo Unternehmen. Sie machen dies oft und es gab noch nie Probleme. Wir lassen die Gedanken im Hinterkopf schwellen und spüren, dass es schon irgendwie eine Lösung geben wird. Erstmal heißt es ankommen, auspacken und ab in die Wellen.
Doch da wartet schon die nächste Überraschung auf uns. Bims Brett ist kaputt und das ist nicht das erste Mal. Zum Glück kann Gayung, der gemeinsam mit seiner Familie hier lebt und sich ebenfalls ums Gästehaus kümmert, es reparieren. Das heißt aber auch erstmal wieder ein Brett ausleihen. Sehr frustrierend, wenn man sich die ganze Zeit mit der Fahrerei so abplagt und das Surfbrett dann noch nicht mal benutzen kann. Zum Glück hält wenigstens Isis Board durch.

Nun heißt es aber endlich wieder den Ozean genießen und das entspannte Leben eines Reisenden im Urlaub.
Jeden Morgen radeln wir mit den Surfbrettern zum Spot. Momente, in denen sich die Strapazen der letzten Tage endlich auszahlen. Wir schnappen uns das Brett, paddeln durch einen Fluss, der hier ins Meer mündet und laufen auf der Sandbank bis ans östliche Ende der großen Bucht von Pacitan, die sich zwischen steil aufgehenden Felswänden befindet. Links von uns hinterlässt der Fluss eine Lagune. Das Wasser ist spiegelglatt und zeichnet die Umgebung auf den Kopf gedreht. Rechts von uns der Ozean.
Wir erreichen die grünbewachsenen Felswände und paddeln etwas versetzt dazu raus ins Lineup. Während wir auf eine Welle warten, genießen wir das Panorama und beobachten Affen, die an die Lianen der Felswände entlangklettern. Alle Anstrengungen sind wie weggeblasen, unsere leeren Gemüter füllen sich mit so viel Lebensfreude. Um es mit einem bekannten indonesischen Song zu sagen: „Welcome to my paradise!“

Doch selbst an einem Ort der Vollkommenheit sind Konflikte und Probleme nicht auszuschließen. Hier in Pacitan gab es einst eine der längsten Wellen Indonesiens. Ein Local erzählt uns, dass er früher bis zu einem Kilometer in der Welle surfen konnte. Das hat er zweimal gemacht und ist dann erschöpft und glücklich nach Hause gegangen. Doch vor einiger Zeit wurde eine neue Moschee am Strand errichtet, halb im Wasser. Durch das massive Fundament haben sich die Strömungen geändert, der Fluss hat eine neue Form angenommen, die Sandbank ist gewandert. Mit der Folge, dass die Welle nicht mehr funktioniert. Wir spüren den Umut darüber, denn es ist ja nicht so, dass 200 Meter weiter nicht noch weitere Moscheen stehen …

Die Tage in Pacitan neigen sich dem Ende und widmen uns vehementer dem Versenden unserer Sachen. Tina fragt bei der örtlichen JNE Cargo nach den Konditionen. Für umgerechnet ca. 60 € können wir uns ganzes Hab und Gut in den Osten Javas versenden. Das wäre perfekt, da wir in der Zwischenzeit einen Visarun machen müssen und dann einfach mit dem Zug hinterherfahren könnten.

Wir fahren durch die Stadt und suchen nach Verpackungsmaterial. Hier ein paar kleine Radkartons, da etwas Pappe und aus dem Polsterladen etwas Schaumstoff. Wir verstauen alles auf dem Hänger und radeln zurück ins Homestay, verpacken alles und warten auf den Transport. Tina hat einem Bekannten Bescheid gegeben, der mit einem in die Jahre gekommenen mobil besar angetuckert kommt.

Wir laden alles auf und Fahren in Richtung JNE. Kurz bevor der Kleintransporter auf die große Straße abbiegen will, nimmt er eine Bodenwelle mit und im Anschluss geht der Motor aus. Mehrfache Versuche bringen nichts. Schließlich schiebt der Mann den Transporter aus der schmalen Einfahrt auf den Seitenstreifen der großen Straße. Dann fummelt er an den Kabeln herum, die sowieso überall herumhängen und versucht es erneut. Es funkt und dann wird die Kabine mit leichtem Rauch geflutet. Wir springen aus dem Wagen, doch der Rauch legt sich schon bald.
Tina kommt mit dem Moped angebraust und fragt nach dem Problem. Der Mann meint, er hat es gleich repariert…
Zehn Minuten später schieben wir den Transporter zu viert die Hauptstraße entlang. Es sind nur wenige 100 Meter bis zur JNE.
Indonesien – immer für eine Überraschung bereit!

Da angekommen wird unser Gepäck gewogen, die Adresse aufgenommen, eine Zusatzversicherung angepriesen, die eigentlich nichts bringt, aber vielleicht dazu führt, dass man unser Gepäck etwas behutsamer anfasst. Zum Glück ist Tina die ganze Zeit mit dabei und kann übersetzen, denn wir geben gerade unser ganzes Hab und Gut in die Hände eines indonesischen Cargo Unternehmens. Vor drei Jahren hätte sich bei so einer Sache alles in uns gesträubt, jetzt sind wir mehr oder weniger entspannt oder ist es die Erschöpfung, die aus uns spricht?

Das wars, ab jetzt liegt es nicht mehr in unseren Händen und wir reisen auf einmal ganz minimalistisch. Was bleibt? Zwei Rucksäcke und ein kleiner Jutebeutel. Im Moment ein sehr befreiendes Gefühl…

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karen Schröder

    Gute Heimreise und ein Wiedersehen in 2025!
    Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2025 wünschen euch Renate und Karen aus Kiel 🌲🌲🎅🎅🥳🥳