Wir verlassen das fruchtbare, flache Terai und überwinden die ersten nepalesischen Bergketten gen Norden. Auf dem Siddartha Highway erleben wir die Verwandlung der Natur in eine Bergwelt und gemütliche Dörfer, bevor wir in Pokhara ankommen.

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Wir verlassen den Bardia National Park und strampeln weiter in Richtung Osten. Der entspannte Highway H01 führt relativ flach durch das Terai. Dörfer und Passagen durch den dichteren Dschungel wechseln sich ab, jedoch weit genug entfernt vom Nationalpark, sodass wir relativ entspannt sind. Unser Zelt wollen wir trotzdem nicht einfach so am Waldesrand aufschlagen, dafür aber im sicheren Garten eines Gästehauses: Endlich wieder Zelten!
Am Abend werden wir von der netten Frau und Omi mit dal bhat versorgt. Das nepalesische Nationalgericht aus Linsensuppe, Reis und Gemüse der Saison bekommt man in jeder noch so kleinen Unterkunft. Wir sitzen auf kleinen Holzbänken. Die Küche oder besser gesagt die Kochstelle befindet sich vor dem Haus, 50 Meter vor dem Highway, auf dem ab und an ein Auto vorbeifährt. Der zischende Schnellkochtopf, in dem der Reis gegart wird, steht auf dem Lehmtandoori unter einer offenen Flamme. Ein viel zu großes Holzscheit dient als Brennstoff. Es wird nach und nach weiter rein geschoben. Der Mann hackt und zerkleinert daneben das Gemüse für das chutney. Wir genießen die Atmosphäre, die so entspannt und friedlich erscheint.

Auf dem Weg nach Butwal überwinden wir die ersten, nepalesischen Hügelchen und gewöhnen unsere Beine so langsam an die Anstiege, die noch vor uns liegen. Ein kleines, gemütliches Bergdorf inmitten der schönen grünen Natur. Wir fühlen uns einfach richtig wohl.

Einen Platz für unser Zelt sollen wir allerdings nicht so schnell wieder finden. Am Abend heißt es daher stets Unterkunftssuche. Da wir aber das Kochen so vermissen, fragen wir einfach nach, ob wir in der Unterkunft selbst unser Essen zubereiten können. Dies wird oft erst mit Unverständnis aufgenommen, dann kritisch begutachtet und schließlich mit herzlichem Lächeln abgesegnet.  

Wir erreichen Butwal an einem warmen, stickigen, frühen Nachmittag. Dass es seit längerem nicht geregnet hat, spiegelt sich in der dunstigen, staubigen Luft wieder, die über und in der Stadt hängt.  Unzählige Busse, Lkw, Autos und Mopeds quetschen sich auf der kleinen Straße ins Zentrum, wo ein vierspuriger Highway die Stadt zerteilt. Er verliert sich in einer Schlucht, die in Richtung Himalaya verläuft, aufregend! Bald geht es los, in die Berge!

Als wir am Abend durch die Stadt schlendern überrascht uns Butwal mit einer ruhigen und entspannten Atmosphäre. An kleinen Verkaufsständen wird Street Food verkauft, über kleinen Feuerstellen werden Spieße aus Buffalo-Fleisch gebrutzelt, denn der Wasserbüffel zählt im Hinduismus nicht als heilige Kuh. Es gibt kleine Wagen an denen Eis, Kaffee und chai verkauft wird. Ein paar Jugendliche machen Straßenmusik. Es ertönt tatsächlich Musik, die wir kennen. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten nehmen wir uns bekannte Musik öffentlich wahr. Vielleicht ist es das, was uns in eine so entspannte Stimmung versetzt.

Am nächsten Tag feiern die hinduistischen Nepalis Maha Shiva Ratri – den Geburtstag von Shiva. Wir haben schon davor von dem Tag gehört. Es wurde uns erzählt, dass an diesem Tag das Rauchen von Marihuana nicht strafbar sei, wobei das Kiffen in Nepal sowieso eher entkriminalisiert ist. Cannabis hat Tradition in Nepal, wurde erst im Jahr 1976 verboten und gilt bis heute als Geschenk von Shiva. Eine connection to shiva hat hier im Umgangston also seine ganz eigene Bedeutung.

Der Tag beginnt für die Gläubigen vor Sonnenaufgang, indem sie zu den vielen Tempeln pilgern und ihre Rituale abhalten. Wir sind zu müde dafür und haben auch nicht wirklich Lust auf noch mehr Spiritualität, die indischen Priester schwirren da noch zu sehr in unseren Köpfen herum.

Als wir am Mittag auf die Straße gehen, sehen wir einen Umzug an uns vorbei ziehen, ob der allerdings mit dem Fest zusammenhängt wissen wir nicht.

Nach Sonnenuntergang werden auf den Straßen, vor all den kleinen Geschäften und Wohnungen, kleine Feuer angezündet. Sie sollen die bösen Geister vertreiben. Wir haben gehört, dass dies vor allem in den Bergdörfern zelebriert wird und sind nun umso glücklicher, auch hier etwas davon miterleben zu können. Es wirkt nicht wie ein großes Festival mit lauter Musik. Viel mehr versammelt sich die Familie am Feuer und blickt innig und bedächtig in die Flammen. Es ist eine gefühlvolle Stimmung, die in den Gassen schwebt.

Wir decken uns in Butwal mit frischem Obst und Gemüse ein, kaufen eine Tüte Jogurt bei dem Verkäufer mit den Milchprodukten und machen uns auf den Weg in die Berge.
Die vierspurige Straße wird schon bald kleiner und hinter der ersten Kurve ist es auch vermessen von einem Highway zu sprechen. Uns stört es eher weniger, so können die Lkw und Busse wenigstens nicht so sehr an uns vorbeirasen. Asphaltierte Deckschichten, Schotter, Sand und Löcher wechseln sich ständig ab. Transportwege in Nepal haben einfach andere Dimensionen, selbst eine Busfahrt von Butwal nach Tansen, was ca. 40 km entspricht, kann gut und gerne bis zu acht Stunden dauern.

Die Straße führt durch die markante Bergwelt, felsige Berge schießen in die Höhe und hinterlassen Schluchten. Weit unter uns der reißende, türkisblaue Gebirgsfluss. Sein ausgespültes Flussbett zeigt, wie mächtig er wohl manchmal sein mag. Das schroffe Grau der Berge macht Platz für grünende Pflanzen, die eine subtropische Stimmung vermitteln. Terrassierte Hänge auf denen bald die Reisfelder bestellt werden und immer wieder die kleinen gemütlichen Orte, mit den malerischen zweifarbigen Lehmhäusern und Holzdächern.

Es wirkt alles so gemütlich und abwechslungsreich und doch ist es noch längst nicht alles, was unsere Herzen höherschlagen lässt. Es sind, wie so oft, die Menschen, die es besonders machen. Mit einem freudigen, herzlichen Lächeln werden wir immer wieder gegrüßt. Dass es ernst gemeint ist, kann man in ihren Augen ablesen. Kleine Kinder schauen uns mal neugierig, mal schüchtern an, sobald wir sie grüßen, lassen sie ihrer Freude freien Lauf. Es macht einfach nur Spaß und die Anstrengungen des Aufstiegs sind wie weggeblasen.

Kurz vor der kleinen Stadt Tansen wollen wir kurz durchschnaufen. Ein Mann kommt an und fragt ob alles ok ist und wir kommen ins Gespräch. Kurze Zeit später sind auch seine zwei Brüder um uns herum versammelt. Sie tragen die typischen, nepalesischen Hüte namens topi auf dem Kopf und erfreuen sich immer wieder aufs Neue an uns und unseren Rädern. Sie erzählen uns voller Stolz, dass sie im Ausland gearbeitet und da viel Geld verdient haben, um ihre Familien zu Hause zu unterstützen. Der Chef sei aus Deutschland gewesen und sie fragen, ob wir ihn denn kennen.

Immer wieder hören wir von nepalesischen Männern, die ihre einzige Chance auf die Sicherung des Lebensunterhaltes im Ausland sehen. Vor allem die Golfstaaten von Saudi-Arabien bis Katar gehören zu den meistgenannten Arbeitgeberländern. Was es wohl heißen mag, als Gastarbeiter in Katar zu sein, ist seit der letzten Fußball-WM ja bekannt.
Laut Deutschlandfunk arbeitet in fast jedem dritten Haushalt ein Familienmitglied im Ausland. Das so erwirtschaftete Geld entspricht wiederum fast einem Drittel der nepalesischen Wirtschaftsleistung.

Wir erreichen die  kleine Stadt Tansen. Es heißt, von hier habe man einen einzigartigen Blick auf das Himalaya. Was uns stattdessen erwartet ist, wie schon die ganze Zeit, eine von Staub gefüllte Luft, die jegliche Sicht verdirbt. Wir versuchen trotzdem unser Glück und spazieren am Abend noch den bewaldeten Hügel hinauf, um dann festzustellen, dass es einfach mal wieder regnen müsste. Wir sind enttäuscht.

Am nächsten Tag schlendern wir durch die gemütliche Altstadt, denn Tansen hat mehr zu bieten, als den Blick auf die großen Berge dieser Welt. Steile und enge Gassen an deren Flanken bunte, gemütliche Häuser stehen. Oft sind die Fenster und Türrahmen mit Holzschnitzereien im Newar-Stil versehen. An den kleinen Gemüseständen decken wir uns mit Leckereien ein. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht werden die Sachen abgewogen, kurz ein liebesvolles Gespräch versucht und schon geht’s ab zum nächsten Geschäft.
In Tansen, was oft auch als Palpa bezeichnet wird, treffen wir auf die nächste ethnische Gruppe in Nepal, die Magar. Das Königreich Palpa war eines der letzten Gebiete, welches dem vereinten Nepal zugeführt wurde.

Unsere kurze Verschnaufpause im Horizon Homestay in Tansen tut gut. Wir verbringen einen gemeinsamen Kochabend in deren Küche. Die beiden waren schon bei unserer Ankunft sichtlich geschafft von der Hochzeit ihrer Tochter, die kurz zuvor stattgefunden hat. Die nepalesischen Hochzeiten sind vom Ausmaß her wohl mit den indischen vergleichbar und man spürt sichtlich wie der Druck bei den Brauteltern abfällt. Umso mehr haben sie sich darüber gefreut, auch mal bekocht zu werden. Als sie an einem Tag zu einem Familienbesuch eingeladen werden, übernehmen wir kurzerhand die Gastgeberrolle für die neuen Gäste.  

Nach entspannten Tagen in Tansen, schwingen wir uns wieder auf die Räder und den Siddartha Highway, der genauso abwechslungsreich und aufregend bleibt wie bisher. Die Straße führt durch eine Schlucht, ein paar Betonpoller sollen das Abstürzen verhindern. Es  geht ca. 100 Meter steil, fast senkrecht bergab. Eine erste, riesige Nepaliseilbrücke überspannt die ganze Szenerie. Dazu die kleinen gemütlichen Dörfer, bunte LKW, vollgestopfte Busse und ab und an ein sehr amüsanter, beladener Kleinbus. Eine Überbeladung an Menschen ist da oft schon normal und wenn die Ziege mal nicht zwischen den riesigen Reissäcken im Inneren Platz findet, dann steht sie eben auf dem Dach. Ein paar grüne Zweige zur Ablenkung und Versorgung und ab geht die kurvenreiche Fahrt.

Ein letzter Pass liegt vor uns, um die Maharbhat-Kette zu überwinden, die das Terai vom Himalaya trennt. Wenn wir genau sind, liegt zwischen der Maharbhat-Kette und dem Himalaya noch die Pahr-Zone, zu der unter anderem Pokhara und das Kathmandutal gehören.

Die Anstrengungen der letzten Wochen hinterlassen ihre Spuren. Wir sind müde, erschöpft und quälen uns nach oben. Wir halten uns mit Chowmein, einem Gericht aus gebratenen Nudeln, bei der Stange. Wir wollen einfach nur noch in Pokhara ankommen.
Umso näher wir unserem Ziel kommen, desto häufiger wehen auch schon mal die bunten, tibetischen Gebetsfahnen über den Dächern. In der Abendstimmung erreichen wir den Pass, wir rollen durch ein breites Tor, welches die Straße überspannt. Dann geht es einfach nur noch bergab. Eine kurvige Abfahrt, vorbei an den vielen terrassierten Feldern, die all die Hügel zieren, bis ins staubige Stadtgebiet. Wir schlängeln uns durch die vollen Straßen bis zu einer gemütlichen Unterkunft, welche unser nepalesisches Base Camp  werden soll. In den nächsten Wochen werden wir unsere Räder hier stehen lassen und zu Fuß die Berge des Himalaya erkunden.

Am Abend entlädt sich der Himmel und es schüttet wie aus Eimern, es hagelt, blitz und donnert. Schön ein Dach über dem Kopf zu haben und noch viel schöner ist das, was wir danach zu Gesicht bekommen.

Himalaya kommt aus dem Sanskrit und bedeutet Schnee (himal) und Bleibe (alaya). Zum ersten Mal in unserem Leben blicken wir auf die weißen Gipfel des Himalayas!

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Karen Schröder

    Nun seid ihr schon 2 Jahre unterwegs und es scheint, als hättet ihr jetzt eine angenehme und interessante Etappe erreicht! Der Himalaya hört sich gigantisch an …. ganz wichtig ist bestimmt auch, dass die Leute, denen ihr begegnet, wieder netter und nicht so geldgierig wie in Indien sind. Da könnt ihr wieder besser Land und Leute kennen lernen. Viel Spaß dabei wünschen euch Renate und Karen 🙋🙋

  2. Kerstin vom ReiseShop Kiel

    Hallo, ihr Lieben,vdas war wie immer sehr spannend. Falls ihr einen guten Guide braucht kann ich euch Ashok empfehlen. Mit ihm war in Gokyo und Kunden von uns waren gerade auf dem Annapurna Circuit mit ihm. Ihr könnt ihn unter der folgenden Nummer erreichen:+977 984-3625986. Bitte richtet ihm Grüße von mir aus. Nepal hat im März für viele Gebiete eine Guide Pflicht eingeführt, da zu viele Touristen krank geworden sind oder verloren gehen. Euch ganz viele schöne Erlebnisse und viel Spaß, Kerstin